Kiffen wie bei Muttern

Wenn man der Beste ist, muß man das auch sagen: Freestyle-König Samy Deluxe zwischen Tiefkühlpizza und Tütenbau  ■ Von Eberhard Spohd

Ein paar Stufen führen hinab in die Eingeweide des Hamburger HipHop. Schon durch die geschlossene Tür des Eimsbush Basements hört man Beats und Bässe krachen. „Das Basement ist fast wie ein Haus der Jugend für sozial schwache Hiphopper. Hier kommen immer ganz schön viele Mongos an.“ Samy Deluxe fühlt sich sichtlich wohl in seiner Einliegerwohnung beim Schlump, Heimstatt und Treffpunkt für all die großen hanseatischen Namen des gepflegten Sprechgesangs.

„Mit denen haben wir eigentlich nicht viel am Hut“, will Samy abwiegeln. „Das wird immer so dargestellt, als würden wir hier die ganze Zeit miteinander chillen, als wären ständig DJ Rabauke von Fettes Brot, Tobi und Bo hier.“ Der Noch-Zivildienstleistende legt großen Wert darauf, daß alles ganz eigenständig abläuft: „Jeder von uns hat seinen eigenen Stil. Wir machen eben echten Rap: zwei Turntables, ein DJ, ein Rapper.“ Also keine Spaßshow wie bei den Fünf Sternen Deluxe und auch keine schwer verdaulichen Lyrics à la Doppelkopf, sondern klar und straight: Reim, Beat, Baßlauf.

Und als wolle er alle diese Differenzierungen Lügen strafen, sitzt Eißfeldt mit am Tisch. Das Mitglied von den Absoluten Beginnern führt für Samy und seine Partner DJ Dynamite und Tropf die Verhandlungen um einen Plattenvertrag für deren gemeinsames Projekt Dynamite Deluxe. „Wir suchen aber keine Firma, die Firmen suchen uns.“ Die drei können es sich leisten, auf Zeit zu spielen. Ihr Demotape, erschienen bei Eimsbush Tapes (Emilienstr. 25, 20259 Hamburg), gehört zum Elaboriertesten im deutschen Sprechgesang. „Samy ist zur Zeit der beste Freestyler Hamburgs“, erzählt Eißfeldt ungefragt. Und tatsächlich: Seine Reime schnurren im Rhythmus, die Stimme hat dieses gewisse Timbre. Der Gelobte, dem man ansonsten nicht gerade mangelndes Selbstbewußtsein vorwerfen kann, schaut ein wenig verlegen zur Seite und widmet sich lieber einer seiner Lieblingsbeschäftigungen: Dem Basteln eines amtlichen Blunts.

Nicht das einzige, was ihn mit den großen US-Vorbildern verbindet. Für ihn ist HipHop selbstverständlich immer noch die alte Kultur aus Wildstyle-Filmen. „Rappen allein bringt's nicht. Breaken, DJing und Graffiti gehören auf jeden Fall dazu.“ Er selbst hat irgendwann entdeckt, daß er zu jedem Thema einen Reim in der Tasche hat. „Und heute bin ich Freestyle-Experte.“ Was ihm noch am HipHop gefällt? „Das ganze ruhige Ding, mit Freunden chillen“ – da ist es wieder, sein Lieblingswort. Einfach in Ruhe gelassen werden und sein Ding machen. Prompt wird Samy aus seiner gewünschten Lebenshaltung herausgerissen: Muttern klingelt an der Tür und will die Schmutzwäsche abholen. Schnell verschwinden die Tüten aus den Händen der Anwesenden. Die Lockerste ist in diesem Moment die Erziehungsberechtigte: „Nanu, ihr eßt ja gar keine Tiefkühlpizza.“

„Irgendwann möchte ich von meiner Musik leben könne“, diesen Lebenstraum hat auch Samy Deluxe. Gleichzeitig darf der Vertrag ihn natürlich nicht in seiner künstlerischen Freiheit einschränken. Das heißt weiterhin darüber zu rappen, was für ihn das wichtigste ist: sich selbst und seine Posse. Auch da gleicht er den amerikanischen role models. Die eigenen Qualitäten in den Vordergrund rücken und bereit sein, die anderen als Nichtskönner zu verschmähen. Warum auch nicht – wenn er doch selbst der Beste ist.

Samy Deluxe ist Very Special Guest bei den Absoluten Beginnern am Donnerstag im Mojo Club (21 Uhr). In der nächsten Folge der „Hamburger Profile“ am Sonnabend: Fink.