■ Nachschlag
: Zwischen Schoßhunden und Elvis: Speedball Baby im Wild At Heart

„A fuckin' good club“, lobt der Sänger von Speedball Baby irgendwann im Laufe seines Auftritts das Wild At Heart in der Wiener Straße, womit er wahrscheinlich allen Anwesenden aus dem Herzen spricht. Denn auch wenn die meisten wegen Speedball Baby gekommen sind, werden sie wiederkommen: Ein Besuch im Wild At Heart lohnt auch ohne Live-Konzert. „Drei Farben: Rot“ heißt hier das Motto, was naheliegt bei dem Namen. Wer Kitsch in seiner Vollendung mag, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. An der Decke ein Perserteppich, über den verschiedenen Durchgangsrahmen rotleuchtende Herzen und buntflackerndes Plastikobst. Neben einem großen Porträt von Elvis (mit roten Rosenkranz um den Hals) hängt Jesus am Kreuz, und „die erste Gitarre von Heini“ ziert genauso die Wände wie das Porträt eines Schoßhündchens, das zusätzlich umflort ist mit zur Abwechslung mal weißen Rosen. Und ganz im Gegensatz zur Einrichtung setzt sich das Personal aus Leuten zusammen, die irgendwo zwischen Punk, Metal und Bikerrock ihr Szene- Zuhause gefunden haben.

Kulturelle Berührungsängste kennt man im Wild At Heart also nicht, für eine New Yorker Band wie Speedball Baby genau das richtige. Sänger Ron Ward beschwört zwar fast etwas zu oft die Herkunft seiner Band (“the most fucked up city in the world“), doch eigentlich weiß auch er, daß das für New York nicht unbedingt mehr gilt und es Läden wie das Wild At Heart auch dort nicht an jeder Ecke gibt. Also ist Wohlfühlen angesagt, die Blues Explosion von Speedball Baby findet hier den adäquaten Widerhall. Vis-à-vis dem Publikum, durch das Ward mehrmals irr und wie von der Leine gelassen eine Schneise schlägt, spielen Speedball Baby die Art von Blues, den man von Jon Spencer kennt. Heiße, brodelnde Rock-'n'- Roll-Scheiße, deren Blaupause der altehrwürdige Mississippi-Delta- Blues ist. An dem arbeiten sich die vier New Yorker mit Gitarre, Baß und Schlagzeug ab, den unterdrücken und zerstören sie, den zerren sie hervor und setzen ihn als Punk und Trash wieder zusammen. „Get Straight For The Last Supper“ hieß ihr 95er Album, das luftig und schwitzig zugleich war und beispielsweise den Song „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones auf ein sentimentales Blues-Schema reduzierte.

Live aber geht es für Speedball Baby nur nach vorne, da wird Dampf abgelassen und geschwitzt, was die Poren hergeben. Die Folge: völlige Verausgabung, der der Drummer der Band schließlich seinen Tribut zollt. Zur Zugabe sind Speedball Baby nur noch zu dritt, und Sänger Ron Ward übernimmt den Part an den Drums. Gerrit Bartels