Weiße Wände zu Kunstwerken

■ Die Kunsthalle Düsseldorf stopft das Sommerloch mit Jugendkultur: Graffiti-Sprayer gestalten das Haus zum Szenetreff um

Es sind Sommerferien. Auf der Rheinwiesen-Kirmes kann man riesige Plüsch-Elche gewinnen, und die Galerien machen Ferien. Da kommt die Düsseldorfer Kunsthalle gerade recht: „Glut“, verspricht das große Ankündigungsplakat an der Betonfassade des trostlos grauen Gebäudes; eine Sommerloch-Stopf-Ausstellung soll es geben, mit jungen Künstlern, die das Gebäude erobern, alles anmalen, was nicht niet- und nagelfest ist. Oder, im Vokabular der Profis: prozessuale künstlerische Praktiken mit Ereignischarakter, wobei Architektur zum Bildträger wird. Oder, euphoriefrei referiert: Einige Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie und Dozent Felix Droese realisieren Wandmalereien im Inneren des Gebäudes, Sprayer bringen zwei Graffiti an die Fassade, die Videonale Bonn steuert ein Videoprogramm zum Thema „Fest“ bei, und zur Eröffnung der Ausstellung gibt es Konzerte.

Schon im Treppenhaus zeigt sich: Es ist gar nicht so einfach, mal eben eine weiße Wand in ein Kunstwerk zu verwandeln. Die riesige rotgrüne Spirale von Rupprecht Matthias wirkt eher bläßlich als suggestiv. Besser zieht sich Peter Pommerer aus der Affäre: Er versucht gar nicht erst, die Wand mit monumentalen Farbflächen zu bezwingen, sondern benutzt Kinder-Sandförmchen als Schablone für ein bescheidenes Ornament entlang des Treppenaufganges. Im ersten Stock dann der Raum der Künstlergruppe Tatjana Doll, Tine Furler, Sophie von Hellermann, Dietmar Luth und Markus Vater: purer Trash unter dem Titel „Hobbypop Terror“. An den Wänden Unfallautos, nackte Mädchen mit Filmstreifen in der Hand und Comic-Figuren, beiläufig bis schlampig gepinselt, garniert mit der Zeichnung „Kücken [sic!] treten eine Ratte zusammen“. Am nettesten ist noch die Idee, selbstgemalte Postkarten mit Mini-Motiven in einem dieser typischen Für- umsonst-Reklameständer an die Wand zu hängen. Diesem Kunstwerk dürfte wohl der Reflex des geübten Kneipengängers, die Dinger sofort einzustecken, ein frühes Ende bereiten – trotz Schild: Bitte nicht mitnehmen.

Im Obergeschoß dann einige Versuche, das Konzept der Wandmalerei auf plastische Arbeiten auszuweiten. Zum Beispiel von Jan Wagner, der das kleine schwarze Loch, das Altmeister Beuys mal in die Wand gebohrt hat, mit weißen Halbsäulen umrahmt, die die Fläche mit Hilfe von Licht und Schatten gliedern, oder von Aleschander Jasch, der mit Leuchtstoffröhren, die das Wort „Comet“ ergeben, eine neue Wand eingezogen hat. Die größte Wand, im Kinosaal, gehört dem Professor, Beuys-Schüler Felix Droese. Seine archaischen Stiersilhouetten, die mit Kuhmist, Lehm und schwarzer Farbe ausgemalt wurden, beherrschen mühelos den Raum. An den angrenzenden Wänden beamt sich Horst Gläskers von der mythischen Welt der Steinzeit in die der Techno-Ästhetik: Seine von wildem Liniengeflecht und silbernen Rechtecken überzogenen Kreisflächen könnten auch das Cover einer guten House-Platte schmücken.

Der Anschluß der Kunsthalle an die HipHop-Community muß dagegen wohl als mißlungen bezeichnet werden. Man habe mit den Graffiti, die zwei Szenesprayer auf die Fassade malen durften, den „illegalen Schmierereien“, die das Betonmonstrum Kunsthalle zieren, offensiv etwas entgegensetzen wollen, ließ die Leitung verlauten. Mit dieser peinlichen Einteilung von Sprayertum in gut = legal und schlecht = illegal läßt sich nicht viel Street Credibility gewinnen. Der HipHop-DJ, der am Eröffnungswochenende dekorativ vor der frisch verschönerten Fassade auflegte, bliebt denn auch allein; die Posse war woanders.

In zwei Wochen werden die Wände der Kunsthalle wieder weiß gestrichen – „ephemer“, flüchtig, ist das Stichwort, das der durchaus sympathische Kurator Rupert Pfab am häufigsten gebraucht.

Mit der Suche nach dem Event, mit der Fluxus-mäßigen Ausweitung des Kunstbegriffes und mit der Kombination von Werk, Sekt- Servieren und Performance liegt so ein Projekt wie „Glut“ natürlich voll im Trend. Wer aber die Kombinationsmöglichkeiten von Visuals und Musik, von Kunst und Ereignis, von – ja, auch das wollen wir – Ekstase und strenger Form erfahren will, der sollte sich besser auf die Suche nach einem guten Drum'n'Bass-Club machen. Elke Buhr

„Glut“, bis 16. 8. 98, Kunsthalle Düsseldorf