Das Portrait
: Linkes Feigenblatt mit Mission

■ Jan Pronk

Fast hätte die fußballbegeisterte niederländische Öffentlichkeit Jan Pronk, den bisherigen Entwicklungshilfeminister, mit einem Transparent im Stadion erlebt: Bis zuletzt versuchte Pronk im März zu verhindern, daß die nigerianische Nationalmannschaft zum WM-Qualifikationsspiel niederländischen Boden betreten darf. An einen Boykott müsse man sich halten, so der wackere Sozialdemokrat, schließlich habe sich die Menschenrechtslage in Nigeria nicht verbessert. Wie so oft scheiterte Pronk auch bei diesem Versuch an pragmatischeren Kabinettskollegen. Er rief zu Demonstrationen im Stadion auf, stellte schließlich aber auch fest, daß es sich für einen Minister wohl nicht schickt, mit einem Banner demonstrieren zu gehen.

Gestern wurde der 58jährige, der nach drei Kabinettsperioden als so etwas wie die Inkarnation der niederländischen Entwicklungshilfe gilt, neuer Minister für Umweltschutz, Wohnungsbau und Raumordnung. Damit wird ihm eine Aufgabe zuteil, an der sämtliche Vorgänger gescheitert sind: die Ausbreitung des Flughafens Schiphol in eine Bahn zu lenken, die im Einklang mit bestehenden Grenzwerten steht. Noch in den kommenden Monaten soll entschieden werden, ob der drittgrößte Flughafen Europas in unmittelbarer Nähe Amsterdams weiter wächst oder doch noch ein Ausweichflughafen in der Nordsee gebaut wird.

In seiner Partei der Arbeit (PvdA) gilt Pronk als einer der wenigen verbliebenen Linken, als „soziales Gewissen“ und als „Rebell mit Mission“. Auch in den 90er Jahren wurde er nicht müde, das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd anzuprangern. Erst vor wenigen Monaten zettelte er eine weitere sehr unangenehme Diskussion an, als er forderte, die Niederlande müßten endlich ihre Kolonialvergangenheit ehrlich verarbeiten.

Pronks Einfluß hat allerdings kontinuierlich abgenommen. Galt er früher als Konkurrent des Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Wim Kok, ist der Kampf inzwischen entschieden. Nach vier Jahren sozialliberaler Koalition, die nun in ihre zweite Kabinettsperiode geht, ist in der niederländischen Sozialdemokratie für Idealisten kaum noch Platz. Doch auch gerade deshalb braucht die PvdA Pronk heute dringender denn je, und sei es nur als Zugeständnis an die verbliebenen linken Wähler. Jeannette Goddar