Raub wegen "Rassenschande"

■ Wegen eines Überfalls auf einen Ghanaer stehen seit gestern ein 26- und ein 28jähriger wegen schweren Raubs vor Gericht. Der Richter verteidigt seine Wortwahl: Ein Schwarzer sei ein Neger

Bis er nur noch rund hundert Meter von seiner Haustür entfernt war, war der Abend des 18. Februar für Larry M. wie jeder andere verlaufen. Dann, als er in der Hellersdorfer Straße schon fast nach seinem Schlüssel greifen wollte, drehte er sich noch einmal um, weil ihm jemand „Neger“ hinterherrief, wenig später „Scheißneger“. „Sie haben meine deutsche Frau eine Schlampe genannt“, erzählt Larry, der vor sechs Jahren aus Ghana gekommen ist, „und Verräterin an ihrer Nation“. Ihn selber hätten die Männer, die mitsamt ihren Hunden auf ihn losgegangen seien, wüst beschimpft („deinetwegen habe ich keine Arbeit und keine Wohnung“), ihn geschlagen und gewürgt. Erst wollten sie sein Geld, dann seine Halskette und einen Ring, die sie auch bekommen haben. „Am Ende haben sie gedroht, mich umzubringen, wenn ich ihnen das nächste Mal über den Weg laufe.“ Als Larry vor Gericht noch einmal sagt, „daß ich hier lebe“, grinst der Angeklagte Dirk D.

Seit gestern müssen sich der 28jährige D. und sein 26jähriger Kumpel Thomas J. wegen schweren Raubes und schwerer Körperverletzung vor der Ersten Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts verantworten – offensichtlich sehr zu ihrer Verwunderung, ist doch aus den polizeilichen Vernehmungen des Dirk D. überliefert, es sei „ziemlich lächerlich“, daß jeder daherkommen und Anzeige erstatten könne. Den beiden Männern, die Larry M. unter massivem Einsatz ihrer Hunde, „die auf Neger abgerichtet seien“, überfallen haben sollen, droht ein Strafmaß zwischen 5 und 15 Jahren.

An den Tatverlauf wollen oder können sich beide Angeklagten nur noch in Auszügen erinnern. Er sei „richtig sauer gewesen“ an dem Tag, erinnert sich D. immerhin, weil seine Freundin mit ihm Schluß gemacht habe. „Und dann hab' ich halt den Beschädigten gesehen.“

D. gestand allerdings, M. wegen seiner Frau angemacht zu haben, „weil das Rassenschande ist oder so“, und auch, ihm die Kette vom Hals gerissen und den Ring eingesteckt zu haben. J. hingegen will eher zufällig vorbeigeschaut haben, „weil ich nach meinem Kumpel gucken wollte. Dann hab' ich sogar noch versucht, die Kette zu reparieren, weil das ja irgendwie Mist war.“ Beide gaben an, M. sei nicht geschlagen worden.

Auf der Suche nach den Motiven tappte Richter Rainer Pannek, der zum Erstaunen der Öffentlichkeit rasch selbst dazu überging, den Ghanaer als „Neger“ zu titulieren („Ich habe damit kein Problem; wenn das ein Schwarzer ist, dann ist das ein Neger“), weitgehend im dunkeln. Rassenschande, das sei, „wenn eine weiße Frau mit einem Ausländer oder einem Schwarzen zusammen ist“, erklärte J. zwar auch vor Gericht freimütig; er wäre aber auch auf jeden anderen losgegangen. „Warum ich einen Neger angemacht hab? Nee, das weiß ich nicht, wie ich das jetzt erklären soll.“

Was J. allerdings in seiner inzwischen fünfmonatigen Untersuchungshaft auch noch nicht gelernt hat, ist, daß es sich bei dem Opfer um einen Ghanaer handelt. „Ich dachte, das sei ein Albaner.“ Gefragt, ob denn wohl Albanien oder Ghana in Afrika lägen, zuckte er mit den Schultern. „Ich war auf der Hilfsschule. Mit so Ländern hab' ich mich nie befaßt.“

Ob den beiden Angeklagten vorsätzliches Handeln, ausländerfeindliche Motivation oder schwere Körperverletzung unterstellt werden können, soll der zweite Prozeßtag am 14. August mit weiteren Zeugenvernehmungen sowie der Anhörung eines Gutachters ergeben.

Larry M., der gestern mit erstaunlicher Gelassenheit den kreuzverhörähnlichen Fragen des Vorsitzenden Richters Pannek folgte, ob er erst beschimpft und dann um Geld angegangen worden sei oder umgekehrt, ist das inzwischen allerdings fast egal. „Ich hatte vor dem Überfall schon Angst in Hellersdorf“, sagte er, „aber seitdem ist es immer schlimmer geworden.“ Ob mit oder ohne D. und J. Jeannette Goddar