■ Der ruppige Stil des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman
: Gewollte Mißverständisse

Ein historischer Augenblick – Klaus Kinkel hat bei den Kommentatoren in Tschechien zum ersten Mal ein bißchen Verständnis gefunden. Warum? Kinkel hat die Art des neuen Ministerpräsidenten Zeman kritisiert, der die Sudetentendeutschen kürzlich äußerst ruppig anging. Zeman ist einer, der immer alles sagt und nie zurückkann. Dabei ist ihm das öffentliche Echo wichtiger als die Logik seiner Behauptungen. Wer die deutsch-tschechische Erklärung ablehnt, solle, so Zeman, nicht im Koordinierungsrat des deutsch-tschechischen Gesprächsforums sitzen. Bei dem schmerzlichen Endspurt der Verhandlungen im letzten Jahr hörte man hinter vorgehaltener Hand eher das Gegenteil: Endlich haben wir ein Forum, wo alle dabeisein können, ohne in der Politik Schaden anzurichten.

Während der konstituierenden Sitzung des Koordinierungsrates stellte mancher tschechische Teilnehmer erstaunt fest, daß der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer, ein angenehmer Herr sei. Doch die tschechische Sozialdemokratie will den Dialog, der zaghaft beginnt, offenbar nicht. Womöglich fehlen ihr die Argumente.

Entsprechend grobschlächtig klingt auch Zemans Einschätzung der Vergangenheit an. Eine differenzierte Betrachtung lautet ungefähr so: Die Enteignungen aus der Nachkriegszeit nach den Beneš-Dekreten sind nicht rückgängig zu machen. Trotzdem sind diese Normen heute unverständlich; wer sie liest, merkt ihre Unmenschlichkeit. Mit den Beneš-Dekreten versäumte die tschechische Gesellschaft die Chance, sich von den Methoden der Nazis prinzipiell zu unterscheiden – anstelle dessen inszenierte sie eine pure Rache. Doch statt einer solchen differenzierten, aufgeklärten Sichtweise bleibt Zeman bei der pauschalen Feststellung: Die Dekrete sind gültig. Und die sudetendeutsche Seite antwortet ebenso knapp: Die Dekrete müssen weg. Es ist kaum etwas so nötig wie ein Gespräch über diese Fragen.

Noch ein Grund zur Sorge ist vorhanden: Zeman und die nun regierenden tschechischen Sozialdemokraten glauben offenbar, daß die SPD die Bundestagswahlen gewinnt und prompt eine völlig andere, entgegenkommendere Haltung gegenüber Prag einnehmen wird. Doch schon die Reaktion von Renate Schmidt auf Zemans Invektiven zeigt, daß dies unrealistisch ist. Denn eine Regierungsübernahme in Deutschland baut auf Kontinuität auf. Das will Zeman nicht wahrhaben. Jaroslav Šonka

Freier Journalist und Mitarbeiter der Europäischen Akademie