Ein harter Schlagabtausch zwischen Bonn und Prag

■ Äußerungen von Tschechiens Premier über Sudetendeutsche stoßen in Bonn auf Kritik. Kinkel: Kein tschechisch-deutsches Sommertheater

Berlin (taz) – Miloš Zeman hat es geschafft: Seit kurzem macht Tschechiens neuer sozialdemokratischer Ministerpräsident Schlagzeilen in deutschen Zeitungen. Auch wenn dabei von den wirklichen Hintergründen bislang oft nur wenig herüberkam, so ist dem deutschen Leser mittlerweile eins klar: Es gibt wieder Krach.

Auslöser des neuerlichen handfesten Meinungsaustauschs zwischen Bonn und Prag sind Äußerungen des erst seit Juni amtierenden tschechischen Regierungschefs über die Sudetendeutschen. Zeman hatte die Bundesregierung kürzlich aufgefordert, keine Sudetendeutschen in das deutsch-tschechische Gesprächsforum zu entsenden, da Tschechien ja auch keine Kommunisten oder Rechtsextremisten in das Gremium entsende. Der Rat, über dessen Besetzung sich beide Seiten in langwierigen Verhandlungen Anfang des Jahres verständigt hatten, war erstmals im vergangenen Monat in Pilsen zusammengetreten.

Die deutschen Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Bundeskanzler Helmut Kohl kündigte von seinem österreichischen Urlaubsort aus an, er werde sich bei nächster Gelegenheit den Kollegen in Prag wegen der Beschimpfungen vornehmen. Und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber drohte gar mit einer Blockade des tschechischen EU-Beitritts und forderte Zeman auf, seine Äußerungen „in eindeutiger Weise“ zu korrigieren.

Der neue Streit ist symptomatisch für die fragilen Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen. Denn das, was von beiden Seiten angesprochen wird, trifft ins Zentrum nationaler und staatlicher Doktrinen. Noch nach der Wende des Jahres 1989 hatten die konservativ-liberalen Regierungen der Tschechischen Republik stets die Gültigkeit der sog. Beneš- Dekrete von 1945 betont, wonach Deutsche, Magyaren, Feinde und Verräter der Republik enteignet wurden und ihnen die Staatsangehörigkeit aberkannt wurde. Zwar widersprachen die Dekrete der Menschenrechtscharta der UNO, die erst 1949 verabschiedet wurde, doch der Weg in den Kommunismus hatte die Reflexion dieser Umstände in Tschechien in der Folgezeit jahrzehntelang unterbunden. Heute sind tschechische Politiker mit Wählern konfrontiert, die noch nicht dazu bereit sind, diese Selbstkritik zuzulassen. Von der deutschen Seite jedoch wird oft hart und unsensibel nachgehakt, ohne die Schwierigkeiten der inneren Transformation zu berücksichtigen, deren Probleme aus dem Westdeutschland der Nachkriegszeit nur allzu bekannt sind.

Die Versöhnungserklärung der Parlamente beider Länder vom letzten Jahr sollte eine neue Basis schaffen. Die neue Vositzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, versucht jedoch, den unreflektierten Schlagabtausch aufrechtzuerhalten. Die Tschechen hätten unter deutscher Besatzung kaum gelitten, behauptet Steinbach. Zeugnisse über das von den Deutschen dem Erdboden gleichgemachte Dorf Lidice sowie die Häftlingslisten mit prominenten und anderen Tschechinnen und Tschechen in Sachsenhausen und Ravensbrück sprechen jedoch eine andere Sprache. Genauso unreflektiert schallt es aus Tschechien zurück: Miloš Zeman betont, daß die tschechische Sozialdemokratie den Koordinierungsrat des Forums zu ungleichgewichtig findet und eine Korrektur verlangt. Dabei betont die sozialdemokratische Regierung stets, sie wolle die deutsche Karte nicht spielen. Das sagte zumindest Außenminister Kavan bei seinem Berlin-Besuch letzte Woche. Am Dienstag verwahrte sich sein Ministerium allerdings entschieden gegen Stoibers Äußerungen. Die seien für Prag unwichtig, allein Aussagen aus Bonn seien maßgebend. Derweil ist auch Außenminister Klaus Kinkel um Schadensbegrenzung bemüht. „Ein deutsch-tschechisches Sommertheater ist das letzte, was wir jetzt brauchen“, sagte Kinkel. Jaroslav Šonka

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