Analyse
: Rebellion oder Krieg?

■ Die Kämpfe im Kongo können sich leicht zum Regionalkonflikt ausweiten

„Ruanda greift uns an. Es gibt keine Rebellion.“ Mit diesen Worten hat gestern der kongolesische Informationsminister die Gefahr eines zwischenstaatlichen Konfliktes in der Region der Großen Seen verdeutlicht. Man werde sich militärisch wehren, warnte er Ruanda. Das kleine östliche Nachbarland, das dem Kabila-Regime zusammen mit Uganda und anderen Nachbarn entscheidend beim Sieg gegen die 31jährige Mobutu-Herrschaft im Mai letzten Jahres verhalf, weist jede Verantwortung von sich.

Verschiedene Quellen bestätigen allerdings die ruandische Beteiligung an der Meuterei aus den Reihen der Banyamulenge-Militärs im Osten des Landes, die am Montag losbrach und sich gegen die „korrupte und despotische Herrschaft Kabilas“ richtet. Inzwischen wird in den beiden östlichen Kivu- Provinzen gekämpft. Kabilas Armee hat wenigstens teilweise die Kontrolle über die Städte Goma, Bukavu und Uvira verloren. Kivu ist Grenzregion zu Ruanda. Hier halten die „Rebellen“ Flughäfen und Radiostationen. Auch Kisangani, die drittgrößte Stadt des Landes, soll inzwischen in der Hand der Kabila-Gegner sein. Auch im Westen des Landes an der Atlantikküste, in einem Militärlager, haben die Rebellen Fuß gefaßt.

Ruanda hatte schon während der Rebellion gegen den Diktator des damaligen Zaire, Mobutu Sese Seko, 1996/97 jede Beteiligung von sich gewiesen. Im nachhinein war klar, daß vor allem ruandische und ugandische Truppen das Rückgrat der Rebellion waren. Heute – wie gestern – geht es um Sicherheitsinteressen Ruandas. Differenzen zwischen Ruanda und dem Kongo über den Kivu gab es seit längerem. Ruanda und Uganda warfen Kinshasa vor, nicht konsequent gegen die Hutu-Milizen vorzugehen, die den Kivu als Rückzugsgebiet nutzen.

Wem darf man glauben? Dem Kabila-Regime oder Ruanda? Vieles scheint auf eine Beteiligung Ruandas hinzudeuten. Daraus könnte nicht nur ein zwischenstaatlicher, sondern ein regionaler Konflikt erwachsen, der mindestens Ruandas engen Verbündeten Uganda hineinziehen könnte – sofern die Kabila-Armee überhaupt in Lage ist, sich an mehreren Fronten gleichzeitig zu verteidigen.

Aufmerken läßt die Haltung der USA: Gestern wiesen sie ihre Staatsbürger an, das Land zu verlassen – entgegen einer Absprache mit den Europäern am Vortag und obwohl das Leben in Kinshasa gestern wieder normal verlief. Wissen die USA, die mit Ruanda und Uganda militärisch kooperieren, mehr von Putschplänen oder dem Thema Annektierung des Kivu? Gestern stellten die USA Kabila nach 14 Monaten an der Spitze des Kongo ein ambivalentes Zeugnis aus. Soll nach Mobutu nun auch er gestürzt werden? Daniel Stroux