: Ein Wasserfahrzeug ist ein Wasserfahrzeug
■ Die Weser darf mit Wasserflugzeugen befahren werden / Gericht besänftigte die hohen Wellen
„Wenn etwas auf dem Wasser fahren kann, dann ist es ein Wasserfahrzeug“, so definierte gestern gewagt der Bremer Verwaltungsrichter Ingo Kramer zugunsten der WEFA- Luftwerbungs-Gesellschaft in ihrem Prozeß gegen die Bundesrepublik Deutschland. Für den Prozeßbevollmächtigten der BRD, Thorsten Hinrichs von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest, brach damit eine Welt zusammen. Im Dschungel der Paragraphen, Gesetze und Zuständigkeiten, weiß er, wird er nun verflixt aufpassen müssen, daß ihm das Bundesverkehrsministerium „nicht den Kopf abreißt“.
Im logischen Schwanz der semantischen Festschreibung eines „Wasserfahrzeuges“ nämlich werden Deutschlands Behörden Wasserflugzeugen in Zukunft nicht mehr so leicht das Bootfahren auf der Weser verbieten können. Denn, so beschwor der beisitzende Richter gegen Ende der zweistündigen Sitzung den armen Thorsten Hinrichs fast händeringend: „Sie können doch nicht einfach sagen: Ein Wasserflugzeug ist kein Wasserfahrzeug! Das scheint mir nun doch wirklich eindeutig zu sein.“ Letztlich wollte sich dieser der höheren Definitionsmacht denn auch nicht länger versperren und ließ sich auf einen Vergleich ein.
Auf Widerruf, denn natürlich muß er zuerst seine Oberen fragen. Hatten diese ihm doch, um sich den ganzen Kram vom Leibe zu halten, eine entgegengesetzte juristische Definition mit auf den Weg gegeben: Ein Wasserflugzeug ist eine „Veranstaltung“. Damit dürfe es zwar landen und starten, nicht aber wie all das andere Gewusel auf der Weser einfach herumschippern.
Nun ist die Sache quasi entschieden: Die Bremer werden wohl spätestens ab dem kommenden Sommer das Wasserflugzeug der Luftwerbungsfirma Meyer-Freese vom Neustädter Hafen mit ein paar Kunden die Weser zum Weserstadion hoch schaukeln sehen – so als wär es ein schlecht getarnter Katamaran.
Ist es aber nicht. Denn die Delta-Epse von Herbert Freese-Meyer ist gar kein Wasserflugzeug, sondern ein „Flugboot“ und schwimmt statt auf Schwimmern auf seinem Rumpf (gut, daß den Richter dieser Sachverhalt verschwiegen wurde, sonst hätten sie möglicherweise anders entschieden). Und außerdem ist die kleine „Lake“, mit der der Herr Freese seine Fahrgäste für 45 Minuten durch Bremens Lüfte und Gewässer kutschieren läßt, auch gar kein Schiff. Kein Hochgeschwindigkeitsschiff, kein Fahrgastschiff und kein Sportboot. Gar kein Schiff, eben. Sondern? Ja richtig: sondern ein Wasserfahrzeug. Was für die Firma Freese-Meyer einen erneuten Glücksfall bedeutet. Denn damit unterliegt sie nicht der technischen Überwachung durchs Schiffahrtsamt.
Herr Freese also ist froh. Die paar Monate bis zur endgültigen Entscheidung kann er noch locker warten. Denn eigentlich macht er das alles sowieso nur wegen dem Space Park. Damit er da später zwischen dem Neustadt Hafen, dem Touristen Hort auf dem einstigen AG Weser Gelände und Vegesack gemütlich hin und her schippern kann. Landen und starten natürlich auch, betont er und sieht auch da kaum Probleme. Und wie wär's hin und wieder mit einem kleinen Blitzstart am Café Sand – von Null auf Hundert in vier Sekunden? Leider nicht. Er hat sich erkundigt. Da steht die Luftfahrtsbehörde davor – wegen der wahrlich viel zu engen Besiedelung.
Doch nicht nur Herbert Freese-Meyer hat jetzt viel Arbeit. Auch in der Wasser- und Schiffahrtsdirektion muß nun wohl ein ganzer Verwaltungsapperat mit Sachverständigen und Paragraphen aufgebaut werden: Die müssen das zulässige Gefahren- und Lärmpotential regeln, das von den neuen Wasserfahrzeugen auf der Weser ausgehen darf. Auch das hat das Gericht gestern befohlen – und ist mit seiner „Pionierarbeit“ in Sachen Wasserflugzeuge ganz zufrieden: Das sei doch mal wesentlich interessanter gewesen als die ständigen Asylrechtsfälle, bestätigte Richter Kramer lachend Freeses Rechtsanwalt Drumm. ritz
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