Kein Junge, sondern ein Mädchen!

■ Widerstand gegen starre, unverrückbare Traditionen: „Der König der Masken“, ein Film des chinesischen Regisseurs Wu Tian Ming

Der chinesische Film „Der König der Masken“ ist ein Märchen aus einer anderen Zeit und Welt. Wenn da nicht das alte Automobil wäre, das nach ungefähr einer Stunde über die Leinwand rollt, könnte die Geschichte auch ohne Probleme in der Han-Dynastie vor knapp 2.000 Jahren spielen. Über der Handlung liegt der Schleier der Zeitlosigkeit. Nur das Auto paßt da nicht ins Bild. Und allmählich tauchen auch aus dem ganz in Nebelgrau und Nachtblau gehaltenen Film Konturen auf, die als Widerstand gegen scheinbar unverrückbare Traditionen verstanden werden können. Dazu kommt die Hintergrundinformation zum Film, daß Regisseur Wu Tian Ming 1989 einer der intellektuellen Wegbereiter der Studentenproteste war.

Der alte Meister Bian Lin Wang (Chu Yuk) ist der „König der Masken“. Er ist nur ein armer Straßenkünstler, aber glücklich. Zumindest fast. Denn ihm fehlt der Enkelsohn, dem er sein Wissen um die Maskenkunst vererben kann. Und weil sein leiblicher Sohn schon vor vielen Jahren gestorben ist, zieht er durch die Waisenhäuser der Provinz Sichuan, bis er eines Tages den kleinen Doggie (Chao Yim Yin) von einem schmierigen Kinderhändler kauft. Wang ist glücklich. Auf einmal paßt alles. Vor lauter Übermut übersieht er allerdings eine entscheidende Kleinigkeit. Denn der vermeintliche Sohn stellt sich schon bald als Tochter heraus. Und das Geschrei ist groß. Die Kombination Mädchen und Maskenkunst ist undenkbar. Doch wer einmal der kleinen Doggie in die Augen geschaut hat, der braucht nicht viel Phantasie, um sich das Ende des Films vorstellen zu können.

Soviel zur Handlung. Und jetzt der politische Bogen in die Jetztzeit. „Der König der Masken“ ist vor allem eines: eine Parabel. Denn: Mut und Entschlossenheit zeichnen die junge Doggie aus! Sie läßt sich auch von Rückschlägen nicht aufhalten! Sie kämpft so lange unverdrossen weiter, bis selbst der alte Patriarch erkennt, daß sie eine Chance verdient hat! Schließlich läßt er sie an seiner Macht teilhaben! Botschaft angekommen. Alexander Remler

„Der König der Masken“. Regie Wu Tian Ming. Mit Chao Yim Yin, Chu Yuk. OF mit dt. UT, China/ Hongkong 1996, 101 Min, in Blow Up und Lupe 2