Verona. A Public Place

■ Heute erschafft Moderatorin Feldbusch auf RTL "Veronas Welt". Doch die Intelligenzpresse hat uns bereits im Vorfeld restlos alles über Verona gesagt. Wirklich schon alles? Mitnichten!

Ach, ach! Was ist nicht schon alles über „Deutschlands schillernde Moderatorin“ (RTL-Reklame) Verona gesagt, geschrieben, gesendet worden? Wer behält da noch den Überblick? Ist sie nun das „multinationale aktive mittelständische Unternehmen“, das der Stern in ihr erkennt? Oder ist sie das „postfeministische Gesamtkunstwerk im historischen Augenblick, da Sex und Erotik zwischen akuter Triebverwirrung und völliger Lächerlichkeit oszillieren“, für das der Spiegel sie hält? Versiegelt Verona möglicherweise vielmehr Zeit-gemäß piepsend „die wortlose Tiefe ihrer Oberfläche“, aus der „beim wunschlosen Standhalten im Feld des Trivialen der süße Schein ihrer ewigen Unschuld“ entsteht? Oder sollte doch die FAZ der Wahrheit am nächsten kommen, wenn sie in Verona die Überleitung in Gestalt, gewissermaßen das „und“ zwischen den Leerstellen des totalen Alltags entdeckt? – Wir sind sprachlos. Kann man noch etwas sagen über Verona, zumal etwas Kluges? Man kann es ja mal versuchen:

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Verona. A Public Place.

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Wunderlich ist es doch, daß viele von uns über Verona ziemlich gleich urteilen. Sie ist uns auf seltsame Weise starr und seelenlos erschienen. Ihr Wuchs ist regelmäßig so wie ihr Gesicht, das ist wahr! – Sie könnte für schön gelten, wenn ihr Blick nicht so ganz ohne Lebensstrahl, ich möchte sagen, ohne Sehkraft wäre. Ihr Schritt ist sonderbar abgemessen, jede Bewegung scheint durch den Gang eines aufgezogenen Räderwerks bedingt. Ihr Spiel, ihr Singen hat den unangenehm richtigen geistlosen Takt der singenden Maschine, und ebenso ihr Tanz. Uns ist diese Verona ganz unheimlich geworden, wir mochten nichts mit ihr zu schaffen haben, es war uns, als tue sie nur so wie ein lebendiges Wesen, und doch habe es mit ihr eine eigne Bewandtnis.

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Die weiche rosa Pforte öffnet sich nur für Sie. Sie werden feucht und schlüpfrig empfangen. Arme + Beine können extra bewegt werden. Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wippende Zöpfe. Einladender Mund. Feste Brüste. Jedes Teil stark und vibrierend. Viele zusätzliche Details. Sehr anschmiegsam. Lackierte Fingernägel und viele weibliche Attribute.

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Die Analogie zwischen dem Kulturprozeß und dem Entwicklungsweg des Individuums läßt sich um ein bedeutsames Stück erweitern. Man darf nämlich behaupten, daß auch die Gemeinschaft ein Über- Ich ausbildet, unter dessen Einfluß sich die Kulturentwicklung vollzieht. Es mag eine verlockende Aufgabe für einen Kenner menschlicher Kulturen sein, diese Gleichstellung ins einzelne zu verfolgen. (...) Einer Frage kann ich allerdings nicht ausweichen. Wenn die Kulturentwicklung so weitgehende Ähnlichkeit mit der des einzelnen hat und mit denselben Mitteln arbeitet, soll man nicht zur Diagnose berechtigt sein, daß manche Kulturen – oder Kulturepochen, möglicherweise die ganze Menscheit – unter dem Einfluß der Kulturstrebungen „neurotisch“ geworden sind?

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Geschmacklos finde ich es von Christoph Schlingensief, seine Talkgäste so zu beleidigen, daß sie weinend das Studio verlassen. Und das alles unter dem Motto, jeder könne eine Talkshow führen. Es ist sicherlich keine Kunst, über sehr kurze Zeit die Leute zum Zuschauen zu bewegen, indem man sie schockiert. (...) Ich ziehe gern andere Menschen auf, finde es aber auch sehr lustig, wenn man sich über mich amüsiert.

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Juristen nannten es einen feinen und um so härter zu bestrafenden Betrug, als er gegen das Publikum gerichtet und so schlau angelegt worden, daß kein Mensch (ganz kluge Studenten ausgenommen) es gemerkt habe, ungeachtet alle sich auf allerlei Tatsachen berufen wollten, die ihnen verdächtig vorgekommen. Diese letzteren brachten aber eigentlich nichts Gescheites zutage. (...) Der Professor der Poesie und Beredtsamkeit nahm eine Prise, klappte die Dose zu, räusperte sich und sprach feierlich: „Hochzuverehrende Herren und Damen! Merken Sie denn nicht, wo der Hase im Pfeffer liegt? Das Ganze ist eine Allegorie – eine fortgeführte Metapher – Sie verstehen mich! – Sapienti sat!“ Aber viele hochzuverehrende Herren beruhigten sich nicht dabei; die Geschichte mit Verona hatte tief in ihrer Seele Wurzel gefaßt, und es schlich sich in der Tat abscheuliches Mißtrauen gegen menschliche Figuren ein.

Z.T. leicht modifiziert aus (der Reihenfolge nach): William Shakespeare: „Romeo and Juliet“; E.T.A. Hoffmann: „Der Sandmann“; Beate-Uhse-Katalog 3/98; Sigmund Freud: „Das Unbehagen in der Kultur“; Verona Feldbusch in: RTL- Pressemappe; E.T.A. Hoffmann: „Der Sandmann“; zusammengestellt von Christoph Schultheis