Die SPD will der PDS vier Direktmandate abjagen

■ Bei der Bundestagswahl will die SPD in vier der fünf Ostberliner Wahlkreise der PDS die Direktmandate streitig machen. Wählerinitiative wirbt um die „Erststimme für Thierse“

Die SPD will der PDS in vier Ostberliner Wahlkreisen die Direktmandate abjagen und damit den Wiedereinzug der PDS in den Bundestag verhindern. Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Wolfgang Thierse erklärte gestern, die fünf Ostberliner Wahlkreise gehörten zu den insgesamt 40 „Schwerpunktwahlkreisen“, die logistisch, materiell und durch Auftritte von prominenten Bundespolitikern besonders unterstützt würden. Auch die Wahlkreise Rostock und Schwerin, wo die PDS sich Chancen auf Direktmandate ausrechnet, zählen dazu.

Die Ergebnisse einer von der PDS in Auftrag gegebenen Studie, wonach die SPD derzeit in Thierses Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg und in Pankow/Weißensee/ Hohenschönhausen in Führung liegt, seien „ermutigend“, sagte Thierse. 1994 hatte die PDS in vier der fünf Ostberliner Wahlkreise die Direktmandate geholt. Nur in Treptow/Köpenick gewann damals der SPD-Kandidat Siegfried Scheffler.

Eine Wählerinitiative „Erststimme für Thierse“, der zahlreiche Prominente aus Kultur und Politik, aber auch „Nachbarn aus Prenzlauer Berg“ (Thierse) angehören, wirbt mit ungewöhnlichen Mitteln: Zu „Wohnzimmergesprächen“ laden Privatleute Freunde ein, die dann mit Wolfgang Thierse auf dem Sofa plaudern können. Der Wählerinitiative, die im Wahlkampf 1994 von Günther Grass gegründet wurde, gehören unter anderem die Schriftsteller Günter Kunert, Günter de Bruyn und Peter Schneider an sowie der Graphiker Klaus Staeck, der Wissenschaftler Oskar Negt, der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer und auch der Manager von SV Werder Bremen, Willi Lemke.

Die SPD will diesmal die Mehrheit der insgesamt 13 Berliner Wahlkreise holen. Rückenwind versprechen sich die Sozialdemokraten davon, daß die Bundes- SPD ihren Wahlkampfauftakt am 22. August auf dem Gendarmenmarkt und die zentrale Abschlußkundgebung am 25. September im Velodrom in Prenzlauer Berg veranstalten. Für beide Termine rücken Schröder und Lafontaine an.

1,3 Millionen Mark gibt der Berliner Landesverband in diesem Jahr für den Wahlkampf aus, davon stammen 325.000 Mark Zuschuß aus der SPD-Zentrale, die Kosten für Auftritte der Bundesprominenz nicht mitgerechnet.

Als zentrales Wahlkampfthema nannte Thierse gestern die Überwindung der Arbeitslosigkeit. Von einer „Front gegen Rechts“ hält der SPD-Vizechef nichts. Mit solchen Absprachen könne man die rechten Wähler nicht erreichen. Sie müßten vielmehr durch einen entschiedenen Wahlkampf gewonnen werden.

Im Rennen um das Direktmandat setzen auch weniger bekannte SPD-Kandidaten wie der 42jährige Ralf Hillenberg (Wahlkreis Pankow/Weißensee/Hohenschönhausen) auf ungewöhnliche Mittel: Der Jungunternehmer, der ein Architektur- und Bauingenieurbüro mit 25 Mitarbeitern führt, entpuppt sich als passabler Rapper. Auf einer eigens produzierten CD, die auch das SPD-Grundsatzprogramm enthält, stimmt er den „Kohl- muß-weg-Song“ an. Beim Thema Holocaust-Mahnmal erwischte er gestern allerdings die falsche Tonlage: „Wir haben genügend Holocaust-Mahnmäler, nämlich die Konzentrationslager“, sagte der erklärte Anhänger von Schröders Schattenministern Stollmann und Naumann. „Wer die Dinger kennt, weiß, wie sanierungsbedürftig die sind.“ Das Geld für das Mahnmal solle man lieber dafür verwenden. Dorothee Winden