Kriegsherren nehmen keine Rücksicht auf Menschen

■ Militärisch kann der Bürgerkrieg im Sudan bis auf weiteres nicht entschieden werden. Die Friedensgespräche stocken, die Guerilla ist gespalten. Und die Menschen hungern weiter

Den Krieg im Sudan wird in absehbarer Zeit keine Seite für sich entscheiden können – weder die islamistische Militärregierung in Khartum im Norden des Landes noch die „Sudanesische Volksbefreiungsfront“ (SPLA), die seit 15 Jahren für einen autonomen Süd- Sudan kämpft. Mehr als eine Million Menschen sind seit 1983 im Bürgerkrieg ums Leben gekommen. Die Landwirtschaft ist, verschärft durch anhaltende Dürre, zum Erliegen gekommen. Rund zweieinhalb Millionen Menschen hungern.

In dieser Woche sollten Friedensgespräche in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba Bewegung in die festgefahrene Situation bringen. Doch die Verhandlungen wurden am Donnerstag ergebnislos beendet. Die SPLA, so hatten es Sprecher am Mittwoch erklärt, hatte bei den Gesprächen vorgeschlagen, den Sudan für eine zweijährige Übergangsphase in einen Bundesstaat aus zwei Teilstaaten zu gliedern, die jeweils ihre eigene Verfassung haben sollten. Unklar blieb, welche Gebiete eigentlich zum „Süden“ gehören sollen.

Nach massiven Gebietsgewinnen der SPLA Anfang 1997 sah es so aus, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Guerilla auch Juba, die größte Stadt des Südens, einnehmen würde. Insbesondere die dünnbesiedelten ländlichen Gebiete des Südens werden ohnehin nahezu vollständig von der SPLA kontrolliert.

Die Militärregierung ihrerseits hält rund zwei Dutzend Garnisonstädte. Diese zu erobern, so die Erfahrung von 1997, gelingt der SPLA nur, wenn die Regierungstruppen in den Garnisonstädten meutern – und auch dann kann die SPLA ihren Vorteil kaum ausbauen. In Juba dauerte es 1997 nur wenige Tage, bis die Regierung die Stadt wieder unter Kontrolle hatte.

Man geht davon aus, daß allein die Versorgung der Soldaten die Regierung täglich eine Million US- Dollar kostet. Die meisten Garnisonstädte können nur aus der Luft oder durch schwerbewaffnete Konvois versorgt werden. Der Sudan ist de facto bereits zweigeteilt. Nur eine Provinz im Süden wird nicht von der SPLA kontrolliert: In der Provinz Upper Nile herrscht der SPLA-Dissident Riek Machiar mit seiner eigenen Rellenbewegung SSIM.

1990 hatte Riek Machiar wegen eines Streits mit SPLA-Führer John Garang die SPLA verlassen. Machiars SSIM stützt sich vor allem auf Mitglieder der Bevölkerungsgruppe der Nuer aus dem Südosten des Sudan – im Unterschied zur SPLA, die seither von den Dinka dominiert wird, die mehrheitlich in der Provinz Bahr- el-Ghazal im Südwesten leben.

Anfang der neunziger Jahre war es zwischen beiden Gruppen zu blutigen Kämpfen gekommen – sehr zur Freude der herrschenden Militärregierung. Die Regierung in Khartum machte sich die Spaltung der SPLA zunutze, schloß im Mai 1996 mit Machiar ein Friedensabkommen und ernannte ihn zum „Minister für den Süd-Sudan“. Jetzt schützt Machiar die Erdölförderung in Upper Nile, außerdem bildet sein Gebiet einen Schutzgürtel, der die SPLA an einem weiteren Vordringen nach Norden hindert.

Doch auch in Machiars Provinz Upper Nile sind die Loyalitäten nicht immer eindeutig. Anfang Juli rebellierte einer von Machiars Kommandeuren. Es kam zu Kämpfen, bei denen die Stadt Leer dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die Hilfsorganisationen mußten ihr Personal abziehen, und seither ist ausgerechnet die Region, die nach Bahr-el-Ghazal am schlimmsten vom Hunger betroffen ist, auf sich selbst gestellt.

Einen ersten echten Durchbruch hatten da gerade die Friedensgespräche zwischen der Regierung und der SPLA-Guerilla im Mai in Kenias Hauptstadt Nairobi gebracht. Die Regierung erklärte sich bereit, im Süden ein international überwachtes Referendum über die Selbstbestimmung durchzuführen – was die Möglichkeit zweier separater Staaten einschließt. Offen blieb schon damals die Frage, welche Gebiete genau zum „Süden“ gehören. Und daran scheiterten eben auch die Verhandlungen in dieser Woche.