Die neue Option heißt Effenberg

Die Fußball-Bundesliga im großen taz-Test (V): Trotz hohen Berti-Faktors ist Liga-Pokalsieger Bayern München auf dem besten Weg zur Meisterschaft  ■ Tester: Christoph Biermann

Leverkusen (taz) – Eine häßlichere Trophäe wird der FC Bayern in dieser Saison nicht mehr gewinnen. Der Liga-Pokal sieht aus, als wäre er Mitte der siebziger Jahre von einem bulgarischen Künstler entworfen worden. Aber gefreut haben sich die Bayern nach ihrem 4:0-Sieg im Finale gegen den VfB Stuttgart schon. Denn da wirkten sie so überzeugend, wie sie glauben, in dieser Saison sein zu können.

Wie groß ist der Berti-Faktor?

Interessante Frage, und ihre Beantwortung ist nicht ganz leicht. Trainer Ottmar Hitzfeld ist (s.u.) zwar ein Hohepriester des Ergebnisfußballs, aber der FC Bayern scheint in diesem Jahr so gut besetzt, daß schöner Fußball ein Abfallprodukt werden könnte. Zunächst geht es Hitzfeld darum, den Gegner zu dominieren. Sein Fußball hat vor allem mit Strategie und Überwältigung zu tun. Eleganz und Spielfreude spielen dabei eine untergeordnete Rolle – werden aber nicht abgelehnt. Das ergibt einen Berti-Faktor von genau 52.

Wird Fußball gespielt?

Ja schon, aber, wie gesagt, als Abfallprodukt. Wenn der Gegner besiegt ist, darf auf seine Kosten noch ein wenig auf dem Platz gefeiert werden.

Wer hilft?

Vor allem Stefan Effenberg. Wo im letzten Jahr ein Loch klaffte, das Mehmet Scholl u.a. nur gelegentlich füllen konnten und deshalb häufig von Lothar Matthäus mit traurig langen Bällen überspielt wurde, ist nun der München-Rückkehrer. Effenberg wird aber nicht der Heilsbringer sein, der mit Geniegestus das Spiel macht, sondern eröffnet vor allem eine Fülle von Optionen, wodurch Matthäus und die Leute auf den Außenbahnen entlastet werden, die im Vorjahr oft überfordert waren. Außerdem könnte Effenberg die Rolle besetzen, die Sammer in Dortmund hatte: der Hitzfeld- Mann auf dem Platz, den es zu besiegen gilt.

Wer hilft (Geheimtip)?

Thomas Strunz. Schon auf dem Weg zur Witzfigur deutet sich an, daß Strunz zu dem Mann werden könnte, der auf der rechten Seite Basler abdeckt, ihn damit groß macht und sich selber auch.

Wer stört?

Franz Beckenbauer. Will eigentlich noch irgendwer die ganzen Meinungen hören, die er so hat? Zumal der Mann inzwischen dazu übergegangen ist, auch immer noch gleich das Gegenteil von dem zu meinen, was er kurz zuvor gesagt hat. Beckenbauer braucht dringend einen Assistenten, der ihn auf Stand hält, was gerade seine Ansicht ist, sonst sorgt er für ein Übermaß von Verwirrung.

Wer stört (Geheimtip)?

Die Innenverteidiger. Helmer wirkt immer noch angeschlagen, und Beckenbauer (s.o.) hat ihn offensichtlich auf dem Kieker (oder schon nicht mehr?). Babbel ist nie fehlerfrei, Kuffour sowieso nicht. Und wie gut ist Linke wirklich?

Wie will man Tore schießen?

Auf alle möglichen Weisen: Jancker-Kopfball nach Flankenlauf, Doppelpaß mit Elber-Abschluß, Tarnat-Freistoß, Daei- Konter, irgendwer von Effenberg freigespielt usw. usf.

Was macht der Trainer?

„In Deutschland ist das Ergebnis zehnmal wichtiger als die Spielweise“, sagt Ottmar Hitzfeld und ist zudem der Ansicht, daß Fußball als Arbeit zu verstehen „eine Frage der deutschen Mentalität“ ist. Das scheint sich mit dem Deutschlandbild des Berti Vogts zu decken, aber Hitzfeld kleidet sich nicht nur besser. Er hat für sein Glaubensbekenntnis, das ähnlich nach Wiederaufbau-Deutschland riecht wie bei Vogts, eine freundlichere, leicht weltläufige und vor allem immer höfliche Präsentationsform gewonnen. Eigentlich wäre Hitzfeld der ideale Bundestrainer, so wie der DFB sie gerne hat. Außerdem hatte er seine Stildiskussion schon vor ungefähr zweieinhalb Jahren, als Ajax den BVB im Viertelfinale der Champions League mit einer Horde von Youngstern demontierte. Damals löschte Vogts mit dem EM-Gewinn aufkommende Selbstzweifel bezüglich des deutschen Fußballs. Hitzfeld könnte sich nun in der Champions League revanchieren.

Taugt der Torwart was?

Selbst wer den vor Ehrgeiz zerfressenen Oliver Kahn nicht mag, dürfte diese Frage allenfalls rhetorisch meinen. Kahn ist nicht so lustig wie der Franzose Barthez, er beherrscht den Strafraum nicht so großartig wie Dänemarks Schmeichel und ist kein Ersatzlibero wie der Niederländer van der Sar, sondern einfach nur der beste deutsche Keeper.

taz-Prognose:

Ist es ein Verein? Ist es eine Mannschaft? Nein, es ist der FC Bayern. Und der wird Deutscher Meister.

Morgen: Die Invasion der unheimlichen Fischköppe, Teil I