Kolumbianischer Frieden in Auftrag gegeben

■ Präsident Andrés Pastrana ernennt Friedensbeauftragten und neue Armeespitze

Berlin (taz) – Andrés Pastrana, am Freitag vereidigter neuer Präsident Kolumbiens, demonstriert Entschlossenheit. Zwei Tage nach seinem Amtsantritt nahm er mit der Ernennung eines „Friedensbeauftragten“ und dem nahezu vollständigen Austausch der Armeespitze die zentrale Aufgabe seiner Amtszeit in Angriff: die Befriedung des seit Jahren von Guerillakämpfen zerrissenen Landes.

Seine Hoffnung setzt er dabei vor allem auf den 46jährigen Juristen Víctor G. Ricardo, einen seiner engsten Vertrauten, der bereits an den ersten Kontakten zwischen Pastrana und Vertretern der Rebellengruppen maßgeblich beteiligt war. Ricardo soll Verhandlungen mit den linksgerichteten Guerillagruppen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und des Nationalen Befreiungsheeres (ELN) aufnehmen. Ein noch zu schaffender Ministerausschuß, dem neben Ricardo Vertreter aller für den Friedensprozeß relevanten Ministerien angehören werden, soll darüber hinaus den zentralen Stellenwert der Friedensbemühungen in allen Politikfeldern sicherstellen. „Wir können fünfzig Jahre Gewalt nicht mit einem Dekret beenden. Wir werden den Frieden aufbauen, und zwar mit allen Kolumbianern“, sagte Ricardo. Bereits bei seiner Vereidigung am Freitag hatte Pastrana erklärt, daß Frieden ohne soziale Gerechtigkeit nicht möglich sei, und soziale Reformen versprochen. Er wolle einen „Friedensfonds“ schaffen, der von Regierung, ausländischen Geldgebern und reichen Kolumbianern finanziert werden solle. „Die Versöhnung ist nicht ohne Opfer zu haben und erfordert Verzicht“, hatte der konservative Präsident mit Blick auf die Reichen angekündigt.

Die Ernennung Ricardos wurde flankiert durch den gleichzeitigen Austausch fast der ganzen Armeespitze. Bis auf den Chef der Nationalpolizei, Rosso José Serrano, der sich auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung einen Namen gemacht hat, bleibt keiner der hohen Militärs im Amt. Auch wenn die bisherigen Amtsträger in Würden verabschiedet werden, gilt es als sicher, daß ihre Entlassung mit den verheerenden Niederlagen zu tun hat, die die Armee in den letzten Kämpfen gegen die Guerilla erlitten hatte. Mit einer Großoffensive, die auf beiden Seiten rund 300 Todesopfer forderte, hatte die Guerilla in der vergangenen Woche ihre Verhandlungsposition erfolgreich stärken können.

Hinzu kommt, daß die neuen Armeechefs als liberal und Friedensverhandlungen gegenüber aufgeschlossener eingeschätzt werden als ihre Vorgänger. In der Vergangenheit waren Verhandlungen nicht zuletzt am Widerstand des Militärs gescheitert.

Die Guerillagruppen nutzten unterdessen ihre Position der Stärke, um dem Präsidenten ihre Bedingungen für einen Friedensschluß zu unterbreiten. Unter anderem fordern sie ein energisches Vorgehen gegen die rechten paramilitärischen Gruppen, die laut amnesty international für zwei Drittel der Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien verantwortlich sind, die Anerkennung als politische Kraft und einen Gefangenenaustausch. Wie es scheint, wollen Pastrana und Ricardo keine dieser Forderungen von vornherein ablehnen. Joachim F. Tornau