Analyse: Billig ist nicht genug
■ Die Telekom-Konkurrenz wird den Markt nur mit neuen Konzepten erobern
Der Kampf um Kunden und Marktanteile im schnell wachsenden deutschen Telekommunikationsmarkt ist voll entbrannt: Rund 42 Millionen Telefonanschlüsse und ein jährlicher Umsatz von nahezu 80 Milliarden Mark stehen zur Verteilung an. Seit die Deutsche Telekom Anfang des Jahres ihre Monopolstellung aufgeben mußte, versuchen Dutzende von privaten Anbietern, mit immer weiter sinkenden Preisen neue Kunden zu gewinnen. Minutenpreise von 14 oder 18 Pfennig wochentags von morgens bis abends, 7 bis 10 Pfennig für Telefonminuten am Wochenende – eigentlich müßten Deutschlands Quasselstrippen scharenweise zu den Privaten überlaufen. Doch nach aktuellen Umfragen kommen die neuen Anbieter wie Arcor, o.tel.o. oder Mobilcom auf Marktanteile von nur wenigen Prozent. 77 Prozent nutzen nach wie vor ausschließlich die Telekom, fand Forsa kürzlich heraus. Und 40 Prozent gaben an, daß sie die Angebote der neuen Anbieter nicht einmal kennen würden.
Diese sind jedoch zuversichtlich, daß ihr Marktdurchbruch nicht mehr lange auf sich warten läßt. „Die große Welle wird noch kommen“, meint etwa Thomas Fichtl von o.tel.o. Bis Ende des Jahres rechnet man bei der Tochter von RWE und Veba mit mehr als 200.000 Privatkunden, die Zahl der Großkunden hat die 1.000ergrenze überschritten, mehrere tausend Mittelständler haben sich bei o.tel.o. angemeldet. Auch bei Arcor (Mannesmann) ist man den Planzahlen zwei Monate voraus. Der große Durchbruch beim privaten Kunden stehe aber erst in drei bis vier Jahren bevor, ähnlich wie in den USA und Großbritannien, meint Thomas Fichtl. Schon heute würden die privaten Anbieter „am Anschlag arbeiten“. Bei Viag Interkom ist man sicher, daß die Leute anfangen, sich in der Kneipe oder am Gartenzaun über ihre Erfahrungen und Einsparungen durch den Wechsel zu einem privaten Telefonanbieter zu unterhalten – die Telekom müsse sich warm anziehen. Doch hier wird deutlich: Die Privatanbieter verlassen sich nach wie vor auf ihre günstigen Tarife.
Der Verband der Anbieter von Telekommunikationsleistungen meint jedoch, daß das Ende der Tarifspirale erreicht sei. Wenn die Privatanbieter der Telekom ihre Kunden dauerhaft abwerben wollen, muß etwas passieren – und zwar etwas anderes als weitere Gebührensenkungen. Vor allem die Firmenkunden haben ihren Blick nicht nur auf die Telefonkosten gerichtet – sie wollen auch Zusatzangebote wie Inter- und Intranet sowie andere Datenübertragungsmöglichkeiten von den Telekom-Konkurrenten billiger bekommen. Gefragt sind umfassende Telekommunikationskonzepte. Nur wenn sie die liefern, wird den Privatanbietern endlich der lang erwartete Durchbruch auf dem Telekommunikationsmarkt gelingen. Horst Peter Wickel
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