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: Die Gewinner

■ Rechtswähler könnten das Finish zwischen Kohl und Schröder entscheiden

Ein Gewinner der Bundestagswahl 1998 steht bereits heute fest – die extreme Rechte in Form von DVU, NPD und „Republikanern“. Nicht deshalb, weil Wahlforscher wieder einmal herausgefunden haben, daß potentiell jeder fünfte Deutsche bereit ist, eine von ihnen zu wählen. Das ist nichts Neues, sondern seit Jahren so. Es sagt recht wenig über deren wirkliches Wahlverhalten am Tag X aus. Für die Zukunft des politischen Systems der Republik spielt ein möglicher Einzug der Rechtsextremisten in den Bundestag nur eine untergeordnete Rolle. Gewinner sind die rechtsextremen Parteien, weil sowohl die CDU als auch die SPD darum fürchten müssen, potentielle Rechtswähler könnten ihnen von der Fahne laufen und so über eine künftige Kanzlerschaft Schröder oder Kohl das letzte Wort sprechen.

Die SPD hat derzeit bei den sogenannten Modernisierungsverlierern mehr an Stimmen einzubüßen als die CDU. Sie können Schröder kurz vor Erreichen der Ziellinie durchaus noch ausbremsen. Vor diesem Hintergrund machen zum Beispiel die kürzlich vorgestellten sicherheitspolitischen (Rechts-)Positionen eines Otto Schily Sinn. Wer heute Kanzler von Deutschland werden will, kann Millionen xenophobe Wähler nicht rechts liegenlassen. Das wissen wir spätestens seit dem Wendewahlkampf 1982/83, als sich die CDU/CSU die türkenfeindlichen Parolen der NPD zu eigen machte und die Wahl so, wenn auch äußerst knapp, gewann. Die SPD hat, wie wir aktuell am Beispiel Schröder sehen, diese Lektion ganz offensichtlich gelernt.

Wer nun glaubt, nach einem sozialdemokratischen Wahlsieg ließe sich die rechte Schlagseite wieder korrigieren, wird schnell eines besseren belehrt werden. Das ernüchternde Fazit der letzten zwanzig Jahre lautet, daß die extreme Rechte mit den von ihnen angezettelten Diskursen – Asyl, Abschiebungen und Strafrechtsverschärfungen – in der politischen Mitte äußerst erfolgreich war. Positionen, die Anfang der neunziger Jahre noch den „Republikanern“ vorbehalten waren, finden sich heute wie selbstverständlich im Kanon der beiden Großparteien. Von diesen ist in nächster Zukunft in Fragen der demokratischen und der Bürgerrechte nichts Substantielles zu erwarten. Hier liegen die Chancen für die beiden bürgerlichen Parteien – die Grünen und die FDP. Eberhard Seidel-Pielen

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