Auf du und du mit der Glaubwürdigkeit
: Richterliche Asylprüfung auf Herz und Nieren

■ Nach Ermordung der Mutter bangt 18jähriger Togoer um Asyl in Bremen

Eigentlich hätte Gilles L. in seiner Heimat Togo etwas Besseres werden sollen. Seine Mutter, Wirtschaftsprofessorin an der „Universität von Benin“ in Togos Hauptstadt Lomé, die den heute 18jährigen nach dem Tod des Mannes allein großzog, hatte alle Voraussetzungen dafür geschaffen. Doch dann verschwand die Kritikerin der Diktatur General Eyadémas und engagierte Katholikin plötzlich in der Nacht des 27. Mai 1994.

Damals sei er durch eine Granatenexplosion im Haus aus dem Schlaf gerissen worden und auf die Schreie seiner Mutter hin weggelaufen, sagte Sohn Gilles später bei seiner ersten Asylbefragung in Deutschland. Das „laß mich“ seiner Mutter war das letzte, was der damals 15jährige von ihr hörte. Seither bangt er darum, in Deutschland Schutz zu finden. Doch sein Asylverfahren, in dessen Rahmen gestern eine gerichtliche Anhörung vor dem Bremer Verwaltungsgericht stattfand, ist nach dreijähriger Dauer noch nicht entschieden. Grund ist der Widerspruch des Bundesbeauftragten für Asyl gegen eine Entscheidung des Zirndorfer Aslybundesamtes, nach der der junge Mann nicht abgeschoben werden dürfte, weil er als Sohn der für die oppositionelle CAR aktiven Wissenschaftlerin in Togo gefährdet sei. Jetzt müssen Bremer Richter entscheiden.

Dem zuständigen Asylrichter Diedrich Feldhusen ging es gestern vor allem darum, die Identität des jungen Flüchtlings zu klären. Könnte es sein, daß der Asylantragsteller nicht der Sohn Jeanne L.'s ist, deren enthaupteter Leichnam 18 Monate nach ihrem Verschwinden im Mai 1994 mit deutlichen Folterspuren in der Nähe eines Militärcamps acht Kilometer vor Lomé gefunden worden war? Um diesen Zweifel kreisten gestern die beharrlichen, routinierten Fragen des Richters. Ihm ging es darum, neben einem Schulabgangszeugnis und einer Praktikumsbescheinigung mit Paßbild des jungen Asylsuchenden auch Namen von ehemaligen Nachbarn und Bekannten zu erfahren. Diese sollen bestätigen, daß Gilles wirklich der Sohn der Ermordeten ist. „Ich möchte jemanden hinschicken um das zu überprüfen“, erklärte Richter Feldhusen, nachdem ein Zuhörer ihm vorgeworfen hatte: „Sie suchen hier doch nur nach Gründen für eine Ablehnung.“

Der Mann gehört zu dem Kreis deutscher Freunde Gilles', die keinen Zweifel an der Identität des Jungen haben, seit dieser nach der Nachricht vom Tod seiner Mutter in Bremen zusammenbrach. Ärzte bescheinigen ihm heute psychosomatische Erkrankungen. Doch auch die Bekannten des Flüchtlings waren gestern irritiert über dessen stockende Auskünfte, als er sich an Nachnamen von Nachbarn oder Bekannten kaum erinnern konnte. Erst nachdem Richter Feldhusen auf erregte Zwischenrufe der ZuhörerInnen reagierte und den Gerichtsdolmetscher durch die Französin Ghislaine Valter von der Asylgruppe Ostertor spontan ablösen ließ, entkrampfte sich die Situation im Gerichtssaal – vorläufig. Das Verfahren ist vertagt, bis das Gericht die Liste mit zehn Namen, die Gilles L. angab, überprüft hat. Bis dahin ist er vor einer Abschiebung nach Togo sicher, wo die Lage nach wie vor extrem angespannt ist. Dem Aufruf der Opposition zum Generalstreik als Reaktion auf die abgebrochene Wahlauszählung durch das Regime folgten nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in den vergangenen zwei Tagen fast alle Geschäfte Lomés. ede