■ Kommentar
: Paradoxes Ende

Nun ist es also amtlich. Das Kunsthaus Tacheles steht vor dem Aus. In den nächsten Tagen, so ein Sprecher der Oberfinanzdirektion Berlin, würden den 30 KünstlerInnen, die in der Kaufhausruine Ateliers unterhalten, die Räumungsklagen zugestellt. Das war's dann wohl: Die Leute vom Tacheles, mit denen in den letzten Jahren so eifrig für das weltoffene Soziotop Berlin geworben wurde, sie haben ihre Schuldigkeit getan, und damit ist auch der kunstsinnige Investor Jagdfeld voll d'accord . Schließlich plant der sein eigenes „Kunsthaus“, das nur ein bißchen anders aussehen soll als das bisherige, bitte ein bißchen mehr à la Einkaufspassage. Und wo wir gerade am mäkeln sind, könnten sich eigentlich auch die KünstlerInnen besser benehmen, so nah dran am künftigen Regierungssitz. Nein, das Ende des Tacheles kommt nicht unbedingt überraschend. Es zeichnete sich schon vor drei Jahren ab, als die Betreiber des Kunsthauses beschlossen, sich auf Verhandlungen mit dem Investor einzulassen. Die Geschwindigkeit, mit der die entwickelten Zukunftsmodelle ad acta gelegt wurden, spricht eine deutliche Sprache. Eine paritätische Zusammenarbeit stand wohl nie ernsthaft zur Debatte.

Bleibt die Bürokratie, die nicht nur das Tacheles zu Grabe trägt, sondern paradoxerweise auch dessen letzte Chance darstellt. Damit alles seine Ordnung hat, müssen die Räumungsklagen einzeln durchgefochten werden. Fünf der Tacheles-KünstlerInnen sind im Ausland gemeldet – das verlängert die Prozedur erheblich. Bis das Gebäude besenrein übergeben ist, kann es locker bis nächstes Jahr dauern. So profitiert noch jemand von der harten Tour: Auf der Suche nach einem neuen Imageträger hat die senats- und firmeneigene Berlin-Marketing GmbH noch ein wenig Luft. Ulrich Clewing