: Die Hirngespinste des anderen Herrn K.
Ein Mann im dunklen Anzug bekommt von einem schwarzgekleideten Fremden einen Auftrag. Für ein Bündel Scheine muß er sich durch einen unterirdischen Gang zwängen, vorbei an unzähligen Totenschädeln. Am Ende des Ganges trifft er auf einen Mann im weißen Anzug und erschießt ihn. Dann führt er hüfttief in den Schädeln stehend seinen Auftrag aus und legt einen Schalter um: vom Sonnen- auf das Mondsymbol. Währenddessen sucht ein weißgekleideter Auftraggeber einen neuen Killer für den nächsten Auftrag. Ein ewiger Kreislauf, denn nun ist klar, woher die Totenschädel stammen und wer die nächste Leiche sein wird...
„Nacht und Tag“ heißt die Geschichte vom Auftragsmord als Antrieb für den ewigen Wechsel zwischen Sonne und Mond. Sie stammt aus der Feder von Ulf K., was für Keyenburg steht. Der Oberhausener Comic-Zeichner lebt davon, Siebdrucke seiner Zeichungen zu verkaufen und ist der erste Künstler, der ein eigenes Album bei der Edition Panel aus Bremen veröffentlicht.
Es heißt „Der Mondgucker und andere Geschichten“. Herausgegeben hat es Bert Dahlmann, seit fast zehn Jahren Verleger und Herausgeber des Bremer Comic-Magazins Panel. „Wenn man die ganze Zeit ein Magazin mit verschiedenen Zeichnern gemacht hat, dann reizt es einen natürlich, auch mal einen Zeichner größer herauszubringen,“ sagt Dahlmann. „Jahre des Kleinverlegertums haben sich damit bezahlt gemacht.“
Möglich wurde die außerplanmäßige Veröffentlichung – das reguläre Panel Nr.19 ist erst für Dezember geplant – durch eine Auszeichnung. Beim Comic-Salon Erlangen wurde das Bremer Magazin mit dem Preis für das „beste Magazin“ 1998 ausgezeichnet. „Die 2000 Mark Preisgeld konnten wir gut gebrauchen,“ sagt Dahlmann. „Ich hatte mir nämlich schon gedacht, daß wir gewinnen und mit der Druckerei einfach alles verabredet. Ein Glück, daß es auch so gekommen ist. Das Album wird sich zwar tragen, aber den Drucker kann man schlecht damit vertrösten, daß die Kohle tröpfchenweise über Monate verteilt reinkommt.“
Keyenburg gehört zu den vielen Zeichnern, die als Namenlose im Panel ihre Strips veröffentlichen konnten. Als Nachwuchsschule ist das Panel eine überregionale Institution: Die ersten Arbeiten von Max Goldt mit Stefan Katz erschienen im Bremer Comicmagazin, Peter Puck erhielt seine Chance und Haimo Kinzler, der jetzt für Eichborn zeichnet. Auch Bremer wie der Mr. Deadhead-Schöpfer Peka, Gunn Gans-Zeichner Schwaner oder Pechskin- und Anarchomän-Zeichner Maura wurden regelmäßig gedruckt.
Keyenburgs Arbeit fällt aus dem rotzfrechen, anarchischen Grundton der meisten anderen Panel-Zeichner heraus. Auf den ersten Blick wirkt „Der Mondgucker“ wie ein Kinderbuch: Alle Geschichten drehen sich um den Mond. Freundliche Figuren mit großen Augen grinsen den Himmel an. Mond und Sterne schauen zu und lächeln zurück. Der Titelheld des Albums ist ein Wissenschaftler, der entdeckt, daß das Mondseil zu reißen droht und das Abstürzen des Himmelkörpers verhindern möchte.
Andere Geschichten wie „Nacht und Tag“ oder „Und draußen wacht Eva Luna“, ein bebilderter Kampf zwischen rationalem und träumerischem Unterbewußtsein, sind dagegen thematisch zu skurril, um als bloße Kinderlektüre aufgefaßt zu werden. K. ist ein Träumer, jemand, der sich stundenlang vorstellt, wie denn eine Aufhängung für Sterne am Abendhimmel funktioniert und diese Hirngespinste dann entsprechend liebevoll zeichnet. Seine Schwarz-weiß-Zeichnungen sind bewußt naiv, aber trotz der wenigen Striche sehr atmosphärisch. Die größte Stärke von Keyenburg ist aber, daß er ganze Geschichten erzählt, wo andere Zeichner vor allem auf die Grafik achten und actiongeladene Seiten mit einem Haufen Fragezeichen enden lassen. Die Pointen von Keyenburgs Erzählungen sind subtil, lösen keine Lacher aus. Dafür hinterlassen sie nachdenkliche, herrlich melancholische Leser.
Diese Erzählerqualitäten hatten auch Dahlmann davon überzeugt, den Oberhausener zu veröffentlichen. Neben erzählerischen, zeichnerischen und künstlerischen Kriterien erfüllte K. aber zudem eine Bedingung, bei der sich andere Comic-Zeichner, auch die Bremer, etwas schwer tun: Der Oberhausener arbeitet schnell und zuverlässig. „Man hätte ja auch ein Album mit einem Bremer wie Maura machen können,“ sagt Dahlmann. „Aber wenn man das verabredet, ist klar, daß es zehn Jahre dauert, bis genug Material zusammen ist.“ Von der Produktivität seines ersten Albumautoren kann Dahlmann dagegen nur schwärmen: „Ich habe Ulf einmal das neuste Panel geschickt, in dem acht Seiten von ihm drin waren und dazu geschrieben, daß das nächste Heft in sechs Monaten fertig sein soll. 2 Wochen später hatte ich schon wieder 20 Seiten von ihm – und alles gute Sachen!“
Das nächste Album der Edition Panel steht auch schon fest: Die Berliner Zeichnerin Kat Menschick soll es verfassen. Zunächst aber muß sie den großen Comic-Zeichner-Zuverlässigkeitstest bestehen, sagt Verleger Dahlmann: „Mal sehen, wann sie das geplante Cover für das neue Panel rüberschickt. Ich hoffe doch sehr, daß es rechtzeitig fertig wird.“
Lars Reppesgaard
„Der Mondgucker“ ist für 12 DM im Comic Cafe, bei Pegasus, Captain Comic oder direkt beim Panel, Postfach 10 26 65, 28206 Bremen, erhältlich.
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