Dem Schweiß auf der Spur

Was im „Schweißbukett“ riecht eigentlich so unangenehm? Die Beiersdorf AG setzt jetzt eine elektronische Nase auf die Fährte  ■ Von Christine Holch

„Deo-Test“ steht auf der Tür. Doch in dem Labor dahinter riecht es keineswegs nach Schweiß. Die Watte-Pads, die die Versuchspersonen dort nach 24stündiger Tragezeit unter den Achseln abgeben, verschwinden sofort in braunen Gläschen. An diesen Pads schnuppern anschließend die „Sniffer“ der Forschungsabteilung bei Beiersdorf in Eimsbüttel, nicht aber direkt an den Achselhöhlen – Sympathie oder Antipathie für die schwitzende Person würden das Urteil über die Wirksamkeit eines Deos grob verfälschen.

Kein leichter Job, das Testriechen. Eine Sniffer-Nase muß geschult sein und darf nicht gegenüber bestimmten Stoffen „geruchsblind“ sein. Problem der vier Beiersdorf-„Nasen“: Der Geruchssinn ermüdet schnell und ist zudem recht subjektiv, zum Beispiel abhängig davon, wie der Sniffer geschlafen, was er gegessen hat ...

Deswegen arbeitet die Forschungsabteilung nun an einer elektronischen Nase, „e-nose 4000“ genannt. Mit Hilfe der Kunstnase will man aber nicht nur die Sniffer unterstützen, sondern vor allem einen großen Schritt weiterkommen in der Erforschung des Schweißes. „Es ist immer noch weitgehend unbekannt, welche Schlüsselstoffe im Schweißbukett den unangenehmen Geruchseindruck vermitteln“, sagt Dr. Florian Wolf, Leiter der Abteilung Mikrobiologie. Gern nämlich würde der Kosmetikkonzern ein Deodorant entwickeln, das möglichst viele Bestandteile des Schweißes unbeeinflußt läßt. Ein Deo also, das nur die Stinkstoffe unschädlich macht, die übrige „Achselflora“ aber am Leben läßt.

Die künstliche Nase ist ein Meßkopf mit zwölf Sensoren aus Kunststoffen, die elektrisch leiten können. Jeder Sensor reagiert nur auf bestimmte Duftstoff-Moleküle, zum Beispiel Fettalkohole, Fettsäuren oder Steroide. Trifft ein solches Molekül auf den Sensor, ändert sich seine elektrische Leitfähigkeit. Dieses Signal geht an einen Computer weiter.

Clou dieses Computers: Er hat ein neuronales Netz als Programm. Die Software besteht also nicht aus Befehlszeilen, die tumb nacheinander abgearbeitet werden, sondern aus winzigen selbständigen Programmen, die untereinander, wie Gehirnzellen, neue Verknüpfungen bilden können. Das Programm ist damit lernfähig und kann die Schweißinhaltsstoffe immer genauer nach Stärke und Art bestimmen.

Den Computer zu trainieren ist mühselig. Es wird also noch dauern, bis die Beiersdorf-ForscherInnen herausgefunden haben, welche Schweiß-Inhaltsstoffe es wohl sind, die den Sniffer einen bestimmten Schweiß als extrem stark und damit unangenehm empfinden lassen.

Aber die Geruchssinnforschung ist auch noch sehr jung. Was nicht daran liegt, daß der Geruchssinn im Vergleich zum Seh- oder Hörsinn immer als niedriger Sinn galt, sondern daran, daß die Forschung bis vor etwa zehn Jahren keine geeigneten Werkzeuge hatte. Erst seit dem Aufschwung der molekularen Neurobiologie kann man sich überhaupt daranmachen, herauszufinden, wie der chemische Reiz durch einen Duftstoff in der Nase in einen Nervenimpuls umgewandelt wird und im Hirn eine Empfindung auslöst.

Erschwerend kommt hinzu, daß das Riechen ungleich komplexer ist als das Sehen oder Schmecken. Zum Schmecken reichen fünf Rezeptortypen – für süß, sauer, salzig, bitter sowie für die „umami“ genannte Würze des Geschmacksverstärkers Glutamat. Die Wahrnehmung von Geschmacksnuancen entsteht erst durch das Zusammenwirken von Geschmacks- und Geruchssinn. In der Riechschleimhaut im Nasenrachenraum dagegen tun nicht schlappe fünf, sondern rund 1000 verschiedene Rezeptoren ihren Dienst. Ein Hund kann aber trotzdem noch 40mal besser riechen.

Kamera und Mikrofon mögen die menschlichen Sinne Sehen und Hören schon ganz gut ersetzen, doch auch eine hochentwickelte elektronische Nase wird den Sniffer bei Beiersdorf nie ganz verdrängen können. Nützlich ist die Kunstnase bei der Entwicklung eines neuen Produkts, „aber für die finale Endproduktbewertung brauchen wir immer das menschliche Snifferkollektiv“, meint Forscher Wolf im typischen Beiersdorf-Jargon. Denn einen Geruch als angenehm oder unangenehm empfinden können nur Menschen. Ein neues Deo soll ja nicht zum olfaktorischen Desaster werden.