Aussage des Angeklagten reichte aus

■ Wegen sexuellen Mißbrauchs seiner Stieftöchter verurteilt

„Lassen Sie die Kinder künftig in Ruhe!“ so das Plädoyer des Nebenklägers beim gestrigen Vergewaltigungsprozess im Bremer Landgericht an die Adresse des angeklagten Andreas S. Mit seiner Verurteilung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung kam der 33jährige äußerst glimpflich davon.

Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch in 110 Fällen war dem Angeklagten zur Last gelegt worden; seine beiden damals 14- und 16jährigen Stieftöchter, so der Vorwurf, habe er zum Teil gewaltsam zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Verurteilt wurde Andreas S. zuletzt wegen Mißbrauchs seiner minderjährigen Tochter Ilona und wegen des wiederholten Mißbrauchs seiner sechszehnjährigen, „ihm zur Erziehung anvertrauten“ Stieftochter Michaela.

Deutlich zu gering sei die Strafe ausgefallen, fanden die heute 18jährige und ihre Mutter auf dem Gang vor dem Gerichtssaaal. Sie aber waren nicht als Zeugen vernommen worden. Das Gericht beschränkte sich zur Urteilsfindung gestern auf die Aussage des Angeklagten hinsichtlich „seiner Beziehung“ zur Stieftochter Michaela. 1993 war Andreas S. mit ihrer Mutter und deren sieben Kindern zusammengezogen; Ende 1995, so S., habe er die Tochter als Kraftfahrer mit auf seine „Nahverkehrstouren“ genommen.

Sie habe ihm da auf direkte Weise zu verstehen gegeben, daß sie mit ihm schlafen wolle, nach zwei Tagen habe „sie es geschafft“. Als die Mutter zehn Monate später von der „Beziehung“ erfahren habe, zog sie mit ihren Kindern aus – zwei Tage später aber sei Michaela zu ihm gezogen. Mit Einverständnis der Mutter: „Macht, was ihr wollt“, habe sie gesagt. In der Folgezeit habe Andreas S. zeitweilig allein mit Michaela, zeitweilig auch mit der Stieftochter bei ihrer Mutter gewohnt, heißt es in den Gerichtunterlagen.

Wegen dieser „Widersprüchlichkeit“ im Verhalten der Mutter mußte man auf die Zeugenvernehmung verzichten, so Michaelas Anwalt gestern. Diese und ihre Mutter sehen keine Widersprüchlichkeit: „Meine Tochter war meinem Mann doch hörig“, so die Mutter. Auf ihre Aussage aber verzichteten beide: Andreas S. habe sie mehrfach „grün und blau“ geschlagen. „Er hat mich gezwungen, die Schule abzubrechen“, so Michaela: „Ich sollte als Prostituierte arbeiten.“ Von der Vergewaltigung ihrer jüngeren Stiefschwester hingegen war vor Gericht gestern kaum die Rede, obwohl dieser „Mißbrauch“ zu der zweijährigen Strafe für den geständigen Andreas S. führte. ritz