Hehlerware zum ersten, zweiten, dritten

■ Schnaps, Hirschgeweihe, Bohrmaschinen: Jede Woche versteigert das Amtsgericht Tiergarten Diebesgut, dessen Besitzer nicht mehr auszumachen sind. Auch die Auktionen des Zentralen Fundbüros, der S-Bah

Der Mann im Jogginganzug aus Fallschirmseide beißt fachmännisch auf die Perlenkette. Sein Kollege mit der Jeansweste begutachtet mit Hilfe einer Lupe einen goldenen Armreif. Neben Schmuck, Taschenrechnern und Schnapsflaschen zieht besonders eine originalverpackte Bon-Jovi-CD die Aufmerksamkeit der etwa fünfzig meist männlichen Besucher der Pfandkammer auf sich. „Hehlerware“ raunt eine rundliche Frau mit langem Pferdeschwanz. Sie wirft ihrer Freundin einen vielsagenden Blick aus grün geschminkten Kajal-Augen zu.

Im Amtsgericht Tiergarten werden jede Woche Schnaps und anderes Diebesgut unter alten Bekannten versteigert. Neugierige, Süchtige und Geldwäscher bieten um die Wette.

„Gegenstände, die aus Straftaten stammen und die nicht mehr zugeordnet werden können“, umschreibt Justizbeamter des Amtsgerichtes Tiergarten Burkhard Ebel die Dinge, die er den Interessierten über die Absperrung zur Besichtigung aushändigt.

Gleich geht's los mit der Versteigerung. Das Diebesgut reicht von der Bohrmaschine übers Hirschgeweih bis hin zur Flasche Babyöl.

Der Libanese Chokr Sliman kennt hier fast alle, wie er grinsend erzählt. Er kommt regelmäßig donnerstags und freitags zu den Versteigerungen in die Pfandkammer. In der Hosentasche hat er 600 Mark für seine Ambitionen in Sachen Videokameras und Kassetten dabei. Wer den Zusachlag erhält, muß sofort bar bezahlen. Jeden Samstag verkauft Sliman die Videorecorder, die er tags zuvor erworben hat, auf dem Flohmarkt in Spandau weiter.

„Das Bieten ist elektrisierend. Manche gehen ins Spielcasino, andere zur Versteigerung“, umschreibt ein anderer Besucher die Motivation für sein Kommen. Lässig kaugummikauend, packt der Justizbeamte Ebel zum Bildband über Kalifornien noch Parfümflaschen, 35 Paar Strümpfen und zwei Flaschen Whisky, damit auch nichts übrigbleibt. Die Gebote werden zackig hin und her gebrüllt. Sekunden später geht das Paket unter lautem Juhu und Geklatsche für 360 Mark an den Mann mit der Jeansweste.

Eine Versteigerung bringe im Schnitt 4.000 Mark in die Gerichtskasse, sagt Ebel. „Die Preise sind inzwischen völlig überhöht“, meint ein Pole, der seit 18 Jahren an den Versteigerungen teilnimmt. „Daß die Leute solchen Schrott wie billige Bergstiefel klauen müssen, zeigt, wie geistig verarmt die Gesellschaft ist“, erbost er sich. Früher seien noch vernünftige Sachen versteigert worden.

„Bei uns gibt es alles wie in einem normalen Laden, nur eben drei Jahre später“, meint indes Burkhard Ebel. Vor allem technische Geräte hätten in den letzten Jahren zugenommen.

Daß die Leute so viel Geld für abstruse Gegenstände ausgeben, verwundert. Ob es sich hierbei um Geldwäsche handelt, darüber will Justizbeamter Ebel allenfalls spekulieren.

„Den Schnaps leeren wir auf 'ner Gartenparty“, johlt jedenfalls der neue Besitzer der Whiskyflaschen und zwinkert seinen Kumpels zu. Hauptkonkurrent der Pfandkammer sei das Auktionshaus Plohmann, meint Ebel. Hier versteigert das Zentrale Fundbüro der Stadt vom Fahrrad bis zum Nintendo- Spiel alles, was in Berlin gefunden und nicht nach einem halben Jahr in der Sammelstelle abgeholt wird. Eine große Fangemeinde haben die Versteigerungen im Bahnhofsgebäude Schönefeld. Hier bringt die S-Bahn vom russischen Schnellkochtopf bis zum Stofftier unter die Leute, was Fahrgäste in ihren Waggons und in Fernzügen liegenlassen. Kultstatus haben auch die BVG-Versteigerungen. Viermal im Jahr werden die Regenschirme, die in der U-Bahn vergessen werden, losgeschlagen. Derzeit hängen 200 Schirme an Fleischerhaken im Fundbüro und warten auf neue Besitzer. Kirsten Küppers

Versteigerungstermine:

donnerstags und freitags um 11 Uhr, Pfandkammer des Amtsgerichts Tiergarten, Wilsnacker Straße 5. Besichtigung ab 10 Uhr. Am 20. August um 10 Uhr BVG- Versteigerung im Auktionshaus Beier, Eldenaer Straße 36a. Ab 8 Uhr Besichtigung. Vom 24. bis 27. August jeweils zwischen 14.30 und 18 Uhr S-Bahn-Versteigerung im S-Bahnhof Schönefeld. 25. August, Versteigerung des Fundbüros, Auktionshaus Plohmann, Nordhauser Straße 26, 10 Uhr, Besichtigung ab 8 Uhr.