Paradies für Schnäppchenjäger

Die Touristikbranche drängt ins Internet: Mit Online-Flugbörsen und Last-Minute-Angeboten im Web lassen sich neue Kunden gewinnen. Umsätze werden jedoch noch durch Kosten des Web-Auftritts aufgezehrt  ■ Von Niels Boeing

Schöne Zeiten sind das. Es gibt immer weniger Entschuldigungen, eine verrückte Idee nicht sofort in die Tat umzusetzen und nur drüber zu reden. Zum Beispiel nachts auf einer Party ein paar Tage auf einer Ägäis-Insel buchen zu wollen. Kein Problem: Man muß nur den Gastgeber überreden, auf seinem Rechner mal kurz surfen zu dürfen. Eine Viertelstunde später hat man in einem virtuellen Reisebüro den Trip klargemacht.

Wie alle Branchen hat auch die Touristikbranche e-commerce entdeckt. Online-Flugbörsen, Last- Minute-Anbieter und Reiseveranstalter – immer mehr tummeln sich im World Wide Web, um neue Kunden zu gewinnen. „Unsere Zielgruppe sind Leute, die bisher nicht in Reisebüros gehen“, sagt Roman Borch, Geschäftsführer vom Berliner Reisebüro Check Out, das vor zweieinhalb Jahren als einer der ersten Touristikanbieter ins Netz ging.

Wer diesen Schritt wagt, kann mit einem Schlag einen riesigen Markt anzapfen. Denn aus welcher Ecke der Bundesrepublik der Online-Kunde kommt, spielt keine Rolle. „Aber nicht alle Reisebüros haben sich eine Strategie dafür zurechtgelegt“, sagt Wolf Schambach, Vorstand für Informationstechnologie beim Deutschen Reisebüro-Verband. Egon Dobert, Geschäftsführer von Air Travel Service ATS, bemängelt, daß die Hälfte aller Touristik-Webseiten nicht regelmäßig aktualisiert würden. „Da werden noch Reisen von Ostern angeboten.“

Für manche Reisebüros ist ein Web-Auftritt bislang nichts anderes als eine digitale Plakatwand. Bilder mit Palmenstränden, Informationen zu Reisezielen, einige Telefonnummern gibt es dort, doch buchen kann man nichts.

Mit einer unreflektierten Trendgläubigkeit muß das nichts zu tun haben. „Viele Geschäftsleute haben die Nase voll von der teuren Werbung in Zeitungen“, erklärt Anamul Haque, Geschäftsführer vom Berliner Billigflugdienst Fly Out. Selbst wenn dadurch nur 20 Kunden mehr als im Ladengeschäft erreicht würden, hätte sich die Homepage schon gelohnt.

Haque steht Online-Buchungen noch zurückhaltend gegenüber. Die würden bislang kaum genutzt, weil vielen Internetnutzern noch die nötigen Kenntnisse fehlen. Manch einer fürchtet, beim Surfen durch die Preistabellen aus Versehen den falschen Button zu drücken und damit eine Bestellung abzuschicken. Andere scheuen sich, ihre Kreditkartennummer durchs Netz zu geben. Um derart mißtrauische User nicht zu vertreiben, hat Lufthansa beispielsweise auf ihrer Homepage eine Testbuchung eingerichtet.

Die Skepsis hält das große Geschäft bislang zurück: Nur zehn Prozent aller Zugriffe auf Touristik-Webseiten enden mit einer Online-Buchung. Zu Unrecht. Vor allem die Großen der Branche – wie Travel-Overland/Skyways oder TISS – haben inzwischen perfekt ausgeklügelte Datenbanken eingerichtet, die für jede erdenkliche Strecke in wenigen Sekunden eine detaillierte Liste von Flugverbindungen ausspucken. Sortiert nach Preisen, mit Flugzeiten und der Anzahl der noch freien Plätze versehen. Wer einmal versucht hat, schnell ein Billigticket nach London oder ans Mittelmeer zu ergattern, weiß diesen Service zu schätzen. Denn nicht jedes Reisebüro bietet die Tickets sämtlicher Fluggesellschaften an, und in vielen Läden müssen die Flüge bei jeder Airline einzeln abgefragt werden. Als weiteren Pluspunkt bieten viele Netz-Agenturen einen Discount von bis zu fünf Prozent an, wenn die Buchung online erfolgt.

Solche Angebote bringen natürlich Bewegung in die Branche. Wer im Internet Reisen und Tickets verkaufen wolle, müsse seinen Service anpassen, sagt Roman Borch. „Sie müssen schnell antworten, den Kunden im Saarland genauso bedienen wie den in Berlin.“ Das macht man nicht zwischendurch vom eigenen Laden aus. Deshalb haben manche Agenturen bereits eigens Leute zur Abwicklung der Online-Buchungen eingestellt.

Daß diese Entwicklung zu Lasten der kleineren, lokalen Reisebüros geht, glaubt Borch nicht. „Wir als Online-Anbieter setzen auf Produkte mit geringem Beratungsaufwand.“ Gefragt sei nicht Information, sondern „Buy and Fly“. Die Renner in diesem Geschäft sind Flugtickets und Last- Minute-Reisen. Reisebüros, die maßgeschneiderte Touren oder Kreuzfahrten anbieten, hätten auch in Zukunft nichts zu befürchten. Bernd Jordan, Geschäftsführer vom Berliner Reiseveranstalter East Asia Tours, ist da skeptisch: „In Berlin sollte man ins Internet gehen, um zu überleben.“ Nach Goldgräberstimmung klingt das nicht gerade. Es sei vor allem der weltweite Kostendruck, der die Branche zwinge, über das Internet in den Direktvertrieb einzusteigen, sagt Wolfgang Schambach.

Das Dumme ist nur: Auch die Fluglinien selbst sind darauf gekommen. Mehr und mehr werden sie ihre Flüge an den Reiseagenturen vorbei dem User direkt verkaufen. Damit würden Reisebüros im Internet langfristig überflüssig, schätzt Egon Dobert von ATS.

Für Profis wie ATS läuft das Online-Geschäft schon ganz ordentlich. Der Umsatz liege hier im siebenstelligen Bereich, so Dobert – auf gut deutsch: im Netz sind durchaus Millionen zu holen. Bislang ist es aber noch nicht genug, um die Kosten eines Internet-Angebots mehr als wettzumachen. Vor allem die ständige Aktualisierung der Datenbanken und die Pflege der Webseiten frißt den Umsatz, der durch Online-Buchungen entsteht, auf. „Aber wenn wir das einmal beherrschen, werden wir auch Geld damit verdienen“, ist Dobert zuversichtlich.

Web-Adressen einiger Reisebüros:

www.travel-overland.de bietet zusammen mit Skyways eine äußerst detaillierte und klar strukturierte Flugbörse an. Nicht ganz so komfortabel ist www.tiss.com . Unter www.hinundweg.com kann man Last-Minute-Angebote rund um den Globus raussuchen. Ein umfassendes Web-Reisebüro ist Check Out unter http://check-in.com . Weltweite Hotelreservierungen findet man unter www.hrs.com