Die Deutsche Bank setzt auf Zeit

Der Vergleich zwischen Holocaust-Überlebenden und Schweizer Banken sorgt für gemischte Reaktionen. Die ebenfalls beklagte Deutsche Bank will abwarten  ■ Von Joachim F. Tornau

Berlin (taz) – Nur verhalten sind die Reaktionen, die die Einigung der Schweizer Großbanken mit Holocaust-Überlebenden hervorrufen. Die ebenfalls beklagte Deutsche Bank, die sich zusammen mit anderen deutschen Geldinstituten einer Entschädigungsforderung in Höhe von 18 Milliarden Dollar gegenübersieht, erkennt keine veränderte Situation und will weiter abwarten. Ein Sprecher der Bank sagte, der Münchner Anwalt Michael Witti, der die KlägerInnen aus den USA in Deutschland vertritt, spiele bloß auf der „Klaviatur der Medien“, wenn er versuche, jetzt moralischen Druck aufzubauen. Zudem sei die Situation in Deutschland nicht mit der in der Schweiz zu vergleichen, da es hier keine namenlosen Konten gebe. Witti erklärte jedoch, daß es bei der Klage auch um die Privat- und Geschäftskonten zwangsweise arisierter jüdischer Firmen gehe, an denen sich die Banken bereichert hätten.

Michael Friedman, Mitglied des Präsidums des Zentralrats der Juden in Deutschland, forderte die deutschen Banken und Unternehmen auf, „sich zu ihrer Vergangenheit zu bekennen und daraus Konsequenzen zu ziehen“. Er gehe davon aus, daß es auch in Deutschland zu einer Einigung kommen werde. Gleichzeitig bedauerte er, daß die Banken in der Schweiz sich erst so spät mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt und niemals selbst die Initiative für Entschädigungen ergriffen hätten.

Unterdessen hat die „Zürich Versicherung“ als erster europäischer Versicherungskonzern zugestimmt, daß eine Internationale Kommission zur Regelung der Ansprüche von Holocaust-Opfern und ihren Nachfahren eingesetzt wird. Die Kommission soll innerhalb von zwei Jahren alle „nachrichtenlosen Lebensversicherungspolicen“ überprüfen. Die „Zürich Versicherung“ erwartet, daß weitere europäische Versicherungen einer solchen Kommission zustimmen werden.

Auch wenn die Schweizer Banken mit ihrer Zustimmung zu Entschädigungen die angekündigten Sanktionen aus den USA abwenden und die angespannten wirtschaftlichen Beziehungen so wieder etwas beruhigen konnten, erhoben sich in der Schweiz nicht nur positive Stimmen. Insbesondere im konservativen Lager machte sich Empörung über die „Erpreßbarkeit“ der Banken breit. Der Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Ueli Maurer, sprach gar von „Revolvermethoden“. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund hingegen begrüßte den Vergleich, forderte aber gleichzeitig, daß die Schweiz die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit damit nicht als abgeschlossen betrachten solle. Sigi Feigel, Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Zürich, brachte die Zweifel der Jüdischen Gemeinden zum Ausdruck, daß die Vergleichssumme tatsächlich den Überlebenden des Holocaust und ihren Erben zugute komme. Er sei nur dann glücklich für die Opfer, wenn diese das Geld ganz bekämen und nicht ein Großteil bei Anwälten und jüdischen Organisationen hängenbleibe. Ganz unberechtigt ist die Sorge nicht: Der Ex- Wachmann Christoph Meili, der Dokumente aus den Archiven einer Schweizer Bank vor dem Schredder rettete und deshalb von seiner Firma, einem privaten Wachdienst, entlassen wurde, soll eine Million Dollar bekommen.