: Wenn die Maus den Ton angibt
■ Zuhörer ohne Assoziationsvermögen waren verloren: Jeff Kowalkowski aus Chicago konzertierte mit einem Haufen Computer im Ottenser Grundriss
Eingebungen? Bei Jeff Kowalkowski läuft das etwas anders. Kompositionen wie Bosch Tapped The Gas Pedal And The Caprice Moved Forward, die der schmächtige Mann im schwarzen Outfit am Freitag und Samstag im Ottenser Grundriss – nach der Uraufführung im November 1996 – zum zweiten Mal in der Hansestadt vorstellte, entstehen nicht, indem sich Kowalkowski Ideen, Vorstellungen oder was auch immer eingeben. Kowalkowski gibt selbst ein. Er gibt den Computern, die während der Vorstellung um ihn herum auf einem Tisch stehen, jedwedes Klangmaterial ein, Geräusche, Stimmen, elektronische Signale und Impulse, teils vor der Performance, teils währenddessen. Und die Computer machen auf sein Geheiß Klangkombinationen daraus, Klangschichtungen, Klangcollagen, was immer. Die haben mit dem Eingegebenen mehr oder – eher – weniger viel zu tun. In jedem Fall, so will es der Eingebende, soll sich Neues ergeben. Was und ob überhaupt – darüber mag man streiten.
Beim Streit außen vor: Konzertbesucher, die mit Bedeutungen, mit Fertigem und Konsumierbarem rechnen. Dagegen ist Kowalkowskis Konzept nach allen Seiten offen. Schon der Produktionsprozeß: Jeff Kowalkowski (Chicago) erarbeitete mit Marko Cicilliani (Amsterdam), dem Partner dieses Projekts, über E-Mail den Ablauf. Eine Partitur gibt es nicht. Nur Maus, Software und Festplatte.
Und das Publikum? Ob es ein Erlebnis wird, hängt von dessen Bereitschaft ab, sich aufs Geschehen einzulassen, von dessen Assoziationsvermögen und Imaginationslust.
Verführten Kowalkowskis Klang- und Geräuschinszenierungen wenigstens gelegentlich zu neugierigem Ohrenspitzen und vorsichtigem Herumabenteuern in der eigenen Phantasie, war, was die beiden Protagonisten an Aktion zu bieten hatten – zumindest optisch – einschläfernd lustfeindlich. Am 31. August ist Kowalkowski erneut auszuprobieren. Mit der Schlagzeugerin Carrie Biolo im Orchesterstudio der Hochschule für Musik. Stefan Siegert
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