Druck auf Sozialhilfeempfänger wächst

■ Knapp 70.000 Einsätze leisteten SozialhilfeempfängerInnen im vergangenen Jahr in „Drei-Mark-Jobs“. Nur 205 verweigerten die Arbeit

Knapp 70.000 Einsätze leisteten SozialhilfeempfängerInnen im vergangenen Jahr in sogenannten „Drei-Mark-Jobs“ in der öffentlichen Verwaltung und Wohlfahrtsverbänden. Das belegt eine Statistik der Sozialverwaltung, die der taz vorliegt. In nur 205 Fällen wurde die Sozialhilfe komplett gestrichen, weil sich die SozialhilfeempfängerInnen weigerten, die „gemeinnützige und zusätzliche Arbeit“ (gzA) anzunehmen, heißt es in dem Papier. Zusätzlich kürzten die Sozialämter in 1.625 Fällen die Unterstützung um mindestens 25 Prozent. Jedoch ist die Statistik nicht komplett. Einige Bezirke, unter anderem Wedding, Charlottenburg und Kreuzberg, melden ihre Zahlen nicht regelmäßig der Sozialverwaltung. Deshalb kann die Zahl der gekürzten oder gestrichenen Sozialhilfe noch wesentlich höher liegen. Für Norbert Konkol, bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transporte und Verkehr (ÖTV) zuständig für den Zweiten Arbeitsmarkt, ist die hohe Zahl der Einsätze ein deutliches Zeichen dafür, daß der ökonomische Druck der HilfeempfängerInnen größer werde. „Viele machen die Jobs, weil sie befürchten, daß ihnen der Unterhalt gekürzt wird.“ Konkol lehnt eine „Zwangsverpflichtung für drei Mark die Stunde ab“, sagt aber auch, daß es einige gebe, die von den Jobs profitierten, weil sie dadurch eine sozialversicherungspflichtige Arbeit bekämen. Nach Angaben von Joachim Schültke, Referatsleiter für arbeitsmarktpolitische Angelegenheiten bei der Sozialverwaltung, sind von den 270.000 SozialhilfeempfängerInnen rund 70.000 „arbeitsfähig“ und kommen so für gzA-Jobs in Betracht.

Wie oft ein Sozialhilfeempfänger einen „Drei-Mark-Job“ machen muß und ob ihm bei Verweigerung die Sozialhilfe gekürzt oder sogar gestrichen wird, hängt vom jeweiligen Sozialamt in den Bezirken ab. So wird nach Angaben von Martina Schmiedhofer, bündnisgrüne Sozialstadträtin Wilmersdorf, nur gekürzt, wenn der Hilfeempfänger mehrere Male sich nicht in der gzA-Vermittlungsstelle melde, sich auch sonst nicht kooperativ zeige, also auch sonst keine Unterlagen und Nachweise über „Arbeitsbemühungen“ vorzeige. Nach Angaben einer Sachbearbeiterin im Wilmersdorfer Amt würden 50 Prozent der in Frage kommenden HilfeempfängerInnen die Jobs „wirklich gerne machen“. Die andere Hälfte lehne sie eigentlich ab. Die meisten scheinen sie dann aber doch anzutreten: 1997 wurde in Wilmersdorf nur etwa 15 Menschen die Hilfe komplett gestrichen. Julia Naumann

Bericht Seite 22