: „Wir waren beschissen“
Faszination Zweite Bundesliga: Nach Fortuna Kölns 2:3 bei Tennis Borussia ist die selbstbewußte Idee der Köln-Liga in Gefahr ■ Von Peter Unfried
Berlin (taz) – Es gibt Menschen, die davon ausgehen, daß die Stadt Köln jetzt eine eigene Fußball- Liga hat. Diese Menschen kommen natürlich aus Köln und sehen die Sache in etwa so: Sollen doch die anderen Teilchen einer Bundesliga sein – Köln ist die Bundesliga; wenn auch zunächst einmal die zweite.
Für Fortuna Köln war der Abstieg des 1. FC insofern ein Segen, weil diese Theorie von der Köln- Liga den Klub sichtbar und wichtig gemacht hat. Mit dem Ex-FC-Profi Harald („Toni“) Schumacher als Trainer und einem ehemaligen Bild-Journalisten als Medien-Manager hat sich Fortuna am Markt in den letzten Wochen sogar als der (noch) kölschere Klub präsentiert – allerdings positiv –, hat die Kölner Medien mit Geschichten beglückt, Dauerkarten- (über 2.000) und Zuschauerrekord (über 11.000) aufgestellt und die Konkurrenz erstmals in der Geschichte tabellarisch überholt. Währenddessen war der FC beschäftigt, ein prächtiges Kassenhäuschen-Desaster durch Katastrophen-Management („Wir haben's verbockt“) zu regulieren.
Es lief also prächtig, und daher hat das 2:3 beim Aufsteiger Tennis Borussia am Samstag Harald Schumacher (44) hart getroffen. „Die haben gut gespielt, und wir haben beschissen gespielt“, sagte Schumacher sachlich zwar richtig, aber seinem Team gegenüber wenig respektvoll. Dann hob er mit grimmiger Miene zu einem philosophischen Exkurs an über ein geradezu klassisches Kölner Thema – die Nähe von Selbstvertrauen und Arroganz sowie die Folgen, wenn das eine in das andere übergehe. Dann nämlich, zischte Schumacher, müsse er sich „an den Kopf fassen und sagen: Was ist nur in die Jungs reingefahren?“ Nun ja: Die Niederlage im Mommsen-Stadion war Fortunas erste nach drei Siegen – und Schumachers erste als Profitrainer. Tatsächlich war sie hauptursächlich darauf zurückzuführen, daß nach 2:1-Führung zunächst Heiko Scholz ein Luftloch schlug, dann Kollege Nico Niedziella den Ball zwar weiterspielte, aber zum Falschen. „Wenn man zwei Tore des Gegners selbst vorbereitet“, schlußfolgerte Schumacher völlig richtig, „muß man ganz bescheiden nach Hause fahren.“
Allerdings gibt es vielleicht auch andere Gründe, an einer längerfristigen Spitzenteam-Tauglichkeit von Fortuna Köln zu zweifeln. Selbst wenn in Berlin vier wichtige Spieler fehlten: Aufsteiger Tennis Borussia erwies sich als das qualitativ klar besser besetzte und auch besser spielende Team, dem allerdings eine überraschende Fehleranfälligkeit der angeblich bundesligatauglichen Abwehr zu schaffen machte. Bei Brdarics 0:1 konnte Curko einen Konetzke-Schuß nicht aus der Gefahrenzone befördern, und Kapitän Melzig kam zu spät, beim 1:2 ließ der zweite, von 1860 München gekommene Manndecker, Marco Walker, Gegenspieler Konetzke köpfen.
Was TeBe aber über etwas mehr als die Hälfte der 90 Minuten an kreativem Offensivfußball andeutete, war sehenswert. Toni Micevski (zuvor Hansa Rostock) machte in dieser Zeit viel über die rechte Außenbahn, die Stürmer Kovacec und Aracic waren anspielbar, ballsicher, dribbelstark und funktionierten als Duo.
Bisher war Kreso Kovacec fürs Treffen zuständig gewesen (zwei Saisontreffer), und Ilija Aracic (27) fürs Chancenvergeben. Trainer Hermann Gerland war offiziell ruhig geblieben: „Der Junge hat immer gut gespielt.“ Er habe ihm gesagt: „Wenn der Kreso mal nicht, trifft schlägst du zu.“ So wurde, sagte Aracic, „das Spiel gegen Köln meine Partie.“ 16 Regionalligatore hat er im Vorjahr zum Aufstieg beigesteuert, zuvor vier Zweitligatreffer für den Chemnitzer FC erzielt. Nun machte er alle drei Treffer, was ihm selbst vom Kölner Express die Schulnote 1 eintrug.
Gerland hindert das nicht, mit der Hilfe des potenten Sponsors Göttinger Gruppe nach einem noch besseren Angreifer Ausschau zu halten. Der sagt, man habe „neun von zwölf Punkten gegen den Abstieg geholt“. Allerdings murrt er auch, daß jene drei, die man beim 0:1 in St. Pauli verpaßte, „mir immer noch weh tun“. Man wird das Gefühl nicht los, als habe der Klub, der zwar keinen nennenswerten Anhang hat, aber Geld, eben mit dem Durchstarten angefangen. Was kein Grund zu Arroganz sein soll. „Wir haben viermal ordentlich gespielt, warum soll jetzt einer abheben“, fragte Gerland. Und mit fast schon mildem Gesichtsausdruck: „Den hol' ich schnell wieder runter.“
Das war nur eine Warnung. Kollege Schumacher dürfte derweil längst bei der Tat sein. Gestern mußte man mit Fortuna- Präsident Hans Löring Geburtstag feiern. Für den Wochenanfang aber hat er den „Jungs“ Videostunde angekündigt. So, wie Schumacher aus dem Pressezelt stapfte, dürfte das nicht angenehm werden. Man muß das verstehen: Es geht hier natürlich nicht um Einzelschicksale, es geht um Köln.
Beim Rausgehen fiel Schumachers Blick für den Bruchteil einer Sekunde auf einen Fernsehschirm, auf dem gerade der Wolfsburger Trainer Wolf dozierte. Bundesliga? Für einen Kölner uninteresssant. Damit das noch ein Weilchen so bleiben kann, sollte man kommenden Sonntag Greuther Fürth schlagen – und der FC auch noch was tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen