Viele Fila-Latschen, ein Rolls Royce

■ Hamburger, wo du hintrittst: Bei der 10. Popkomm in Köln war die hiesige Musik-Mischpoke reichlich vertreten

Jedes Jahr dasselbe Spielchen. Die kleinen Hamburger Plattenfirmen stellen sich in eine Ecke der doppelgeschossigen Halle, und mittendrin kungeln unter der Ägide des Vereins unabhängiger Tonträger ein paar Ein-Mann-Unternehmen mit Gleichgesinnten. Man kennt sich und will mit dem Rest der Musikindustrie so wenig wie möglich zu tun haben. Obwohl es hier kaum Lockangebote wie Drinks, Häppchen oder Fila-Latschen gab, sprach doch das rege Treiben für das eine oder andere bei dieser Popkomm angeschobene Projekt.

Gegenüber sammelten sich unter dem Motto „States of Independence“ in einem blaustichigen Stand, der den Charme eines Tagesschau-Studios nachahmte, eine Handvoll gar nicht mehr so kleiner Labels und Promo-Agenturen wie Public Propaganda oder Urban. Nebenan kochte L'Age D'Or zum Zehnjährigen, das gleich mit zwei Konzertblöcken standesgemäß gefeiert wurde, sowieso ein eigenes Süppchen.

Längst dem Kindertisch entwachsen ist natürlich der kleine Major Motor Music. Unter einem Zeltdach aus weißen Gazestoffen thronte Labelchef Tim Renner, der immer mehr Martin Fry von ABC ähnelt, auf einer komfortablen Sitzpyramide. Die Angestellten wurden in einem selbst für die Popkomm dick aufgetragenen Anflug von coroporate identity in pastellfarbene indische Kostüme mit hängenden Beinkleidern gesteckt, die Hände mit Henna bemalt. Man fühlte sich sichtlich unwohl in der Verkleidung, die offenbar Motors Ruf als Sekte unter den Labels ironisieren sollte. Der Guru des Unternehmens tat es seinen Jüngern gleich, nur stand vor dem Sektenzelt, das mit Fruchsäften lockte, ein standesgemäßer Rolls Royce. Das Kennzeichen lautete: „Renner 1“.

Beim Rennen um den vom Clip-Sender Viva verliehenen Preis Comet nahm gleich eine ganze Reihe Hamburger Musikarbeiter teil. Das Internet-Musikmagazin Subaudio war für die Kategorie „Bestes Musikformat“ nominiert, L'Age D'Or-Betreiber Carol von Rautenkranz mit Jürgen von der Lippe für den „Spezialpreis der Jury“ sowie André Luth für die „Beste A&R-Leistung“ bei Fettes Brot und 5 Sterne Deluxe. Letztere, in der betont künstlerisch bezeichneten Kategorie „Volkswagen Sound Foundation“ nominiert, lehnten dankend ab – woraufhin die beleidigte Messeleitung das Label in Sippenhaft nahm und von der Gästeliste der Veranstaltung strich.

Da die Comet-Verleihung seit jeher eine abgekartete Sache ist, war wohl keiner der Nominierten ernsthaft überrascht, nicht zu den Gewinnern zu gehören. Gewonnen hat aber immerhin Nana in der Kategorie „Bester Nationaler Act“. Wir gratulieren und: „Laß es nie mehr regnen!“ Volker Marquardt