Kiefer massiv auf engem Raum

Eine wahre Möbelmarkt-Welle rollt aufs Hamburger Umland zu  ■ Von Christine Holch

Geschäftsführer Joachim Gottlieb ist im Streß: Er führt ein Bewerbungsgespräch nach dem anderen. 100 Leute, zusätzlich zu den 300 bereits Eingestellten, sucht er noch. Als im Juli der Möbelmarkt Dodenhof unter dem Motto „Weltstadt des Wohnens“ an der Autobahnausfahrt Kaltenkirchen eröffnete, kamen 40.000 Menschen. Jetzt sind es immer noch jeden Tag an die 10.000, viel mehr als erwartet. Dafür reichen die VerkäuferInnen nicht, die KundInnen maulen.

Sonst aber hört nur Positives, wer den Gesprächen der BesucherInnen lauscht. „Das ist alles so schön gemacht hier“, sagt eine Endvierzigerin, „überall stehen Vasen und Nachttischlampen.“ Sogenannte „Wohnwelten“, also vollständig eingerichtete Wohn- und Schlafzimmer, sollen Ideen vermitteln. „Und gar nicht teuer“, findet die Frau angesichts eines Couchtisches, Eiche rustikal, höhenverstellbar, mit Kachelplatte für 375 Mark.

Ein Rentner lobt die im Unterschied zu einem Möbelhaus in Segeberg übersichtliche Wegeführung. Seine Frau freut sich über das Tageslicht, das durch die riesige Glasfassade in jede der drei Etagen scheint: „Da kann man auch mal ins Grüne gucken – nur Möbel, das ist doch sehr erdrückend.“ Und für jeden Geschmack gibt es etwas, fällt dem Gatten auf.

Es gibt eine Abteilung „Modernes Wohnen“ mit Rattanmöbeln und maisgelben Sofas sowie „Klassisches Wohnen“ mit goldfarbenen Servierwagen und Bartresen, Eiche rustikal, für 798 Mark (Raten zu 51,12 Mark). Die Abteilung „Junges Wohnen“ lockt mit einem Kiefernregal (sechs Fächer) für 239 Mark: Vom Markt für jugendliche „Ersteinrichter“, bislang fast ausschließlich von Ikea bedient, wollen nun auch andere Märkte profitieren.

Wie Ikea bietet auch Dodenhof auf seinen 30.000 Quadratmetern nicht nur Möbel an, sondern auch Stoffe, Bettwäsche, Vasen, Lampen... Ein Trend, der Günther Petersen von der Handelskammer Sorgen macht: „Das sind die klassischen Sortimente der Einkaufszenten und der City.“ Besorgt ist Petersen auch darüber, daß Dodenhof in Kaltenkirchen, übrigens ein Ableger der gleichnamigen Einkaufsstadt in Ottersberg/Posthausen bei Bremen, nicht der letzte Möbler sein wird, der sich im Umland breitmacht. Eine wahre Möbelmarktexplosion steht bevor: Ikea möchte einen Standort östlich der Alster eröffnen; Höffner will nach Barsbüttel direkt an die A1. Unger möchte sein für eine moderne Möbelpräsentation zu klein gewordenes Haus in Wandsbek aufgeben und nach Rahlstedt ziehen, und Kibeck will sich in Elmshorn oder Barsbüttel erweitern.

In der Branche gelten Hamburg und Umland als unterversorgt. Bislang gebe es vor allem Billiganbieter wie Roller sowie viele kleine bis mittlere Unternehmen im gehobenen Bereich und Spezialisten wie etwa an der Halstenbeker Möbelmeile, heißt es. Alles kein Vergleich zu Süd- und Westdeutschland.

Stimmt, sagt Frauke Meyburg von der Stadtentwicklungsbehörde, Abteilung Grundsatzfragen: „Wegen der geringen Bevölkerungsdichte blieb Norddeutschland bislang von mancher Innovation der Handelsformen verschont.“ Insofern sei es der normale Lauf der Dinge, daß sich nun mehr große Möbelmärkte ansiedeln wollen. „Aber wir können mit Sicherheit nicht alle zulassen, sonst gehen welche pleite.“ Zudem sei das Angebot von Randsortimenten wie Lampen und Herden „zentrumschädigend“. Nun bespricht man sich mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Die von den Möblern angesprochenen Gemeinden haben zwar die Planungshoheit, müssen sich aber dem Landesraumordnungsplan fügen.