Stromrechnung von Greenpeace

Umweltorganisation erwägt Gründung eines Energiekonzerns für Öko-Strom. HEW: Weiter so, aber der Markt gehört uns  ■ Von Heike Haarhoff

Einen Tag nach den HEW-Cyclassics konnte die Hamburgischen Electricitätswerke, die das größte Radrennen Norddeutschlands am Wochenende veranstaltet hatten, gestern nichts aus der Ruhe bringen. Und schon gar nicht Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation forderte erneut den Ausstieg aus der Atomwirtschaft und kündigte an, deswegen im Herbst in Konkurrenz zu Energiemarktführern wie den HEW möglicherweise einen eigenen Stromkonzern zu gründen (siehe auch Bericht Seite 7). Dieser würde seine Kunden dann ausschließlich mit umweltfreundlich erzeugtem Strom aus Wind, Sonne und Kraft-Wärme-gekoppelten Erdgas-Anlagen versorgen.

„Ich kann mir vorstellen, daß es für das Greenpeace-Vorhaben sehr viele Interessierte gibt“, erwiderte HEW-Sprecher Ulrich Kresse, und es klang, als wünsche er den Umweltschützern viel Glück. Grund zur Sorge, glaubt er, gebe es für sein Unternehmen nicht: „Wir haben 930.000 Kunden“, rechnete Kresse vor. Viele davon seien umweltbewegt, und ihnen allen habe nicht nur Greenpeace, sondern auch der Energiekonzern Öko-Strom zu bieten: „Sie können Mitinhaber unseres Bürgerwindparks werden.“ Greenpeace werde „bestimmt kein Multi“.

Daran hat auch die Umweltorganisation keinen Zweifel. Der Öko-Strom, den sie entweder selbst oder über einen anderen Alternativkonzern vermarkten will, würde „rund 20 Prozent teurer als im Bundesdurchschnitt“ sein. Das, so Greenpeace-Geschäftsführer Walter Homolka, liege aber keineswegs an der teureren Stromerzeugung, sondern allein an den ungerechten Netz-Benutzungsgebühren, die die Strommultis, denen die Netze gehören, von den alternativen Anbietern verlangen. So kostet die Durchleitung einer Kilowattstunde Solarstrom über eine Entfernung von 300 Kilometern 16 Pfennig. Für die Durchleitung für Atom- oder Kohlestrom dagegen werden nur sechs Pfennige verlangt.

„Ich sehe nicht, daß wir regenerative Energien behindern“, wies Sprecher Ulrich Kresse die Kritik zurück. Für alle Fremd-Einspeiser „gelten die gleichen Durchleit-Entgelte“ bei den HEW, die an vier Atomkraftwerken rund um Hamburg beteiligt sind.

Die Greenpeace-Energieexperten Sven Teske und Gero Lücking wiesen den Atomkonzernen die Mitschuld an der Umweltzerstörung zu: Die aktuelle Stromerzeugung in der Bundesrepublik setze sich aus einem Drittel Atomenergie, 30 Prozent Braunkohle, 25 Prozent Steinkohle und lediglich fünf Prozent erneuerbaren Energien zusammen.

Das, hat Greenpeace ausgerechnet, sorge in Deutschland stündlich für einen Ausstoß von 690 Gramm des Klimakillers Kohlendioxid sowie für ein jährliches Aufkommen von hochradioaktivem Atommüll von 450 Tonnen. Teske erklärt: „Das entspricht 80 Castor-Behältern.“