Ehegattensplitting soll tabu sein

Berliner SPD-Senatorin Christine Bergmann will statt des Ehegattensplittings Familien steuerlich begünstigen. SPD-Zentrale mag Thema nicht im Wahlkampf sehen  ■ Aus Berlin Barbara Debus

In dem Kabinett eines Kanzlers Gerhard Schröder soll sie für die Belange der Familien zuständig sein. Doch kaum wagte sich die Berliner Senatorin Christine Bergmann (SPD) mit einem familienpolitischen Vorhaben nach vorn, soll sie schon den Rückzug antreten. Bergmann hatte in einem Interview mit der Rheinischen Post etwas gefordert, was so nicht ausdrücklich im SPD-Wahlprogramm steht, aber noch im Mai 1998 von der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen wurde: durch „behutsames“ Umsteuern in der Steuerpolitik soll nicht länger die klassische Alleinverdiener-Ehe, sondern die Partnerschaft mit Kindern vom Staat finanziell unterstützt werden.

Der Rückpfiff kam aus der Bonner Parteizentrale. Christine Bergmanns Äußerungen zum sogenannten „Ehegattensplitting“ habe „eine erhebliche Anzahl“ von Protesten aus der Bevölkerung nach sich gezogen, heißt es dort. Die Briefe und E-Mails verunsicherter Bürger hätten die Parteizentrale veranlaßt, „Frau Bergmann darauf hinzuweisen, daß die Abschaffung des Ehegattensplittings Einkommensverluste bedeuten würde für Familien mit einem Alleinverdiener und kleinem und mittlerem Einkommen“, erfuhr die taz bei der Bonner SPD. Man habe keinen Zweifel, daß der Senatorin die Argumente der Zentrale bezüglich dieses „sehr sensiblen“ Themas eingängig gewesen seien.

Christine Bergmann kann dazu keine Stellungnahme abgeben, sie ist noch im Urlaub. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, die Aachener Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt, erklärte, ihr gegenüber habe Parteisprecher Ulrich Heier erklärt, ihm sei nichts von diesen Bürgerreaktionen bekannt. Sie vertrete weiterhin in ihren Wahlkampfveranstaltungen den Beschluß der SPD-Bundestagsfraktion, „steuerliche Vorteile von der Ehe auf die Familie umzuschichten“. Ulla Schmidt stößt ins gleiche Horn wie Christine Bergmann: „Wir wollen Kinder und Erziehende fördern, aber nicht den Trauschein.“ 1997 seien mehr als 41 Millarden Mark für das Ehegattensplitting ausgegeben worden, profitiert hätten von diesen Steuervergünstigungen jedoch zu einem knappen Drittel Ehepaare ohne Kinder. Schmidt vermeidet es jedoch in ihren Veranstaltungen, ähnlich wie auch zuvor Bergmann sehr bewußt, das simple Abschaffen des Splittings zu fordern. Denn dies, so Schmidts Erfahrung, wecke verständlicherweise massive Ängste bei den am stärksten betroffenen Familien, in denen die Ehefrauen wenig oder gar nichts verdienten.

In der Parteizentrale wird vorgerechnet: Ein Ehepaar, bei dem der alleinverdienende Mann 50.000 Mark nach Hause bringe, verliere 4.200 Mark im Jahr, falls das Splitting abgeschafft werde. Diesem Szenario setzt Ulla Schmidt entgegen, daß dieser finanzielle Verlust wieder wettgemacht werde, indem bei der großen SPD-Steuerreform die Eingangssteuersätze gesenkt und die Unterhaltsleistungen von Ehemännern gegenüber ihren Frauen und Kindern anerkannt würden – ähnlich wie derzeit schon im Falle von Trennungen. Schmidts Verständnis für verunsicherte Ehepaare hört allerdings da auf, wo Großverdiener unverhältnismäßig vom Ehegattensplitting profitierten: „Ein Alleinverdiener mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 250.000 Mark hat bisher rund 22.800 Mark aufgrund des Splittings von der Steuer geschenkt bekommen. Da will ich doch lieber die alleinerziehende Mutter mit vier Kindern steuerlich begünstigen.“