Flammschutzmittel schädigen Gehirn im Tierversuch

■ Schwedische Forscher warnen vor bromhaltigen Mitteln, die Möbel und Kunststoffe vor Brand schützen sollen

Berlin/Stockholm (taz) – Bromhaltige Flammschutzmittel sind deutlich gefährlicher als bislang angenommen. Die weitverbreiteten Substanzen richten im Tierversuch schwere Hirnschäden bei Neugeborenen an. Mit diesem Alarmruf schwedischer Forscher wurde am Montag die fünftägige Konferenz „Dioxin '98“ in Stockholm eröffnet. Polybromierte Diphenylether, kurz PBDE, sind zum Beispiel in Möbelbezügen, Kinovorhängen und Elektrogeräten enthalten, damit sie nicht so leicht brennen. Doch für den Menschen stellen sie offenbar eine ähnlich giftige Zeitbombe dar wie das berüchtigte Umweltgift PCB. Mit dem Unterschied, daß PBDE noch in keinem Land verboten sind.

„Die Dosis von PBDE, die die Ratten über das Futter und die Atemluft erhielten, war nicht besonders hoch, etwa in der Potenz, in der man Schädigungen durch PCB nachweisen kann“, berichtete der Toxikologe Per Eriksson aus Upsala. „Die Wirkung aber war erschreckend.“ Die Substanzen sind schwer abbaubar und reichern sich im Körper an. Die wachsende Anwendung der seit längerem umstrittenen PBDE hat dazu geführt, daß deren Konzentration in der Muttermilch schwedischer Frauen in den letzten 20 Jahren auf das Fünfzigfache gestiegen ist. Mehrere zehntausend Tonnen dieses Mittels werden jährlich eingesetzt. Einer der größten Verwender ist Großbritannien. In Deutschland hat sich dem Umweltbundesamt zufolge die Industrie bereits 1990 verpflichtet, kein PBDE mehr zu verwenden, als klar wurde, daß beim Verbrennen von PBDE Dioxine entstehen.

Dennoch sind die Stoffe in Deutschland noch vor allem in alten Kunststoffen enthalten, die in Elektrogeräten, Häusern und Autos eingebaut wurden. Dort gasen sie langsam aus. „Das ist eine Altlast“, urteilt Hermann Kruse, Toxikologe an der Uni Kiel, „von der wir noch lange was haben.“ R. Wolff/urb Bericht Seite 5