Spitzenkandidat wird Whopper

■ Wenige Wochen vor der Wahl kann man Gerhard Schröder Pfirsichschnitten andichten und Batman oder schwarz wählen. Fernsehwerbung wird zu "Wahlplakaten", Burger-King-Filialen werden "Wahllokale"

Die Werbebranche ist von Kopf bis Fuß auf Wahlkampf eingestellt. Gut vier Wochen vor der Wahl gibt es kein Produkt, das sich nicht mit einem knackig politischen Slogan werbeträchtig verwursten ließe – so auffällig wie möglich und so politisch wie nötig. Marketing kennt keine Skrupel.

Der SPD-Kandidat Eckhardt Barthel muß sich in schönster Sicherheit gewiegt haben, als dafür gesorgt wurde, daß am Willy- Brandt-Haus, der zukünftigen Machtzentrale der SPD, nur seine eigenen roten Plakate zu sehen sind. Doch plötzlich ist auf einem Plakat vor dem Haus „Wählt schwarz!“ zu lesen. Hinter dieser fiesen Kampagne steckt der Fernsehsender Pro Sieben. Mit acht verschiedenen Plakaten wirbt er für das Spielfilmprogramm im Herbst. „Schwarz“ steht für die beiden Batman-Folgen, „Grün“ ist der Tyrannosaurus Rex auf dem Plakat für Jurassic Park, und „Gelb“ ist die Plakatfarbe für die Comicserie „Die Simpsons“.

„Einen besseren Aufhänger für die Kampagne hätte es nicht gegeben“, sagt PR-Mann Julian Geist. Von den 7.327 Plakaten, die für die Kampagne deutschlandweit gekleistert wurden, hängen allein 1.100 in Berlin. Neben den politischen Farben gibt es auch Plakate in neutralem Pink, Weiß oder Blau. Auf die unschöne Farbe Braun hat der Sender verzichtet.

Weniger demokratisch geht es bei der Fast-food-Kette Burger King zu. Von Meinungsvielfalt hält man hier nicht viel. In den 28 „Wahllokalen“ der Stadt gibt es nur einen Spitzenkandidaten – den Whopper. Die Slogans gibt es als Ansteckbuttons: „Weg mit den Diäten“ oder „Satte Mehrheiten statt leerer Versprechungen“. Kampagnenchefin Petra Reicheneder glaubt, daß ihr Konzept funktioniert: „Der unerwartete Aspekt erzeugt Aufmerksamkeit.“ Die BKD (Burger King für Deutschland) habe bereits 70.000 Mitglieder. Damit die Wortspielereien nicht nerven, sei es wichtig, so die Werbechefin, daß die Slogans eindeutig seien. „Klarheit ist wichtig“, so ihre Devise. Die Werbung für die neue A-Klasse von Mercedes-Benz, die derzeit auch in den U-Bahnen der BVG zu sehen ist, funktioniere auch nach diesem Prinzip. Der Schriftzug „Wählen gehen“ zusammen mit der Telefonnummer für weitere Auskünfte könne nicht mißverstanden werden, so Reicheneder.

Der Berliner Lecker-Bäcker Thoben verfolgt eine ganz eigene Schiene. Wie in den 50erJahren, als die Parteien noch gerne einen Wahlkampfslogan dichteten, wirbt Thoben für die Backwaren seiner 53 Filialen mit einem Reim: „Gerhard träumt von neuen Mitten, der Kanzlerschaft und Pfirsichschnitten“, heißt es in Zeitungsanzeigen. „Man muß doch mal was Witziges machen“, sagt Verkaufsleiter Lars Bielski. Der Pressesprecher von Gerhard Schröder indes konnte den Wahrheitsgehalt des Slogans nicht bestätigen: „Wenn überhaupt, dann träumt Schröder von seiner Frau.“ Susanne Sitzler