■ Vorschlag
: (A)udio & (V)ideo – Journeys from Berlin im BüroFriedrich

Mit all den Museen, Reichstagsverhüllungen und Berlin-Biennalen ist Kunst seit der Wende enorm staatstragend geworden. Die Verbonnung schreitet voran, wo früher irgendwo in Kreuzberger Fabriken an Stahlresten herumgefrickelt wurde, arbeiten jetzt Kreativteams für die Kunst-am-Bau-Projekte zukünftiger Ministerien.

Daß Berlin als Mauerstadt tatsächlich ziemlich kreuzberg war, merkt man an dem Video- und Audio-Archiv, das im BüroFriedrich eingerichtet wurde. Dort kann man sich durch die Videosammlung von Mike Steiner zappen oder auf CD umkopierte Raritäten aus Ursula Blocks „Gelber Musik“ anhören. Aus den Bildern grüßen fast vergessene Performance-Künstlerinnen wie Nan Hoover herüber, und Terry Fox beklagt noch einmal den Einfluß der Mediengesellschaft auf jedes individuelle Leben; aus den Boxen brummen derweil Martin Kippenberger oder Die Tödliche Doris lustig schlampige Songs. Dabei ist das zum installierten Hörerservice gehörige Ledersitzkissenambiente funktional, die Pioneer-Anlage edel – aber die Aufnahmen kratzen, pfeifen und zischen, als hätte man sich an den Kohleofen zurückgebeamt. Walter Ruttmanns Experimental- Collage „Weekend“ klingt schwerstens nach einem noiselastigen Hausbesetzerhörspiel und ist doch 1930 als aufklärerisches Dokuprogramm fürs Radio aufgenommen worden. Ruttmann schneidet Alltagsgeräusche zusammen, läßt Entenquaken mit Eisenbahngeratter abwechseln und ist auch sonst einer akustischen Variante russischer Revolutionsfilme ziemlich nahe. Auf anderen CDs murmelt sich Colette durch Discosongs, und Dorothy Iannone schmachtet im Brecht-Style allerlei sexuelle Hingaben.

Die meisten der Videos und Sounds stammen von KünstlerInnen, die nur kurz für ein Stipendium auf Besuch in Berlin waren. Dadurch bekommt die Sache eine angenehm unaufdringliche Nähe zum Gegenstand. Die Leute kommen her, amüsieren sich und gehen wieder. Ähnlich funktioniert auch Konstantin Wrodizcos „Jedes Denkmal ist ein Mensch“ von 1990. Der Film selbst zeigt wiederum die Aufzeichnung einer Projektion von Krysztof Wodickos, der damals das Lenindenkmal mit historischen Dias anstrahlte. Noch stärker geht nur Yvonne Rainer im titelgebenden Film „Journeys from Berlin/1971“ als Gast auf ihr Verhältnis zur Stadt ein. Während die Kamera aus einem Flugzeug am Stadtrand entlangfilmt, liest sie abwechselnd Tagebucheintragungen und Nazi-Berichte vor. Das Ödland heißt inzwischen Speckgürtel. Harald Fricke

Bis 19.9., Mi–Fr 14–20, Sa 14–18 Uhr; Friedrichstraße 104