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Französeln in der Rostlaube

Wie man mit Geld, das höchstens für 15 Minuten Film reicht, einen abendfüllenden Spielfilm zustande bekommt. Ein Bericht über die Realität am Set der deutschen Low-Budget-Produktion „Der Liebhaber“  ■ Von Alexander Remler

Das Drehbuch war geschrieben. Das Team fast vollzählig. Nur das vom ZDF versprochene Geld ließ auf sich warten. Schließlich kam die Absage: „Keine einzige Mark aufgrund von Verfahrensfehlern“, lautete die Begründung aus Mainz. Das war eigentlich das Ende des ehrgeizigen Abschlußprojekts der Regisseurin Claudia Bachmann von der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb). „Unser Geld reichte plötzlich nur noch für 15 Minuten“, erzählt sie. „Aber ich wollte den Film unbedingt machen.“

Drei Drehbuchseiten pro Tag

Und deshalb machte sie ihn auch. Nur nicht ganz so, wie ursprünglich geplant. Statt auf 16 Millimetern dreht sie auf Video. Statt regelmäßiger Mahlzeiten raucht jeder ein paar Zigaretten mehr. Und fast die gesamte Crew arbeitet für gar kein oder nur wenig Geld. Schnell wurde jedem klar, wie die Realität am Set eines Low-Budget-Films aussieht. Aber nur so kam „Der Liebhaber“ voran. Im Schnitt drei Drehbuchseiten pro Tag, vier Wochen lang. Heute fällt die letzte Klappe für den 80minütigen Film.

Es geht um eine Studentin (gespielt von Brigitte Zeh), deren Freund bei einem Autounfall stirbt. Als sie noch trauert, freundet sie sich mit einem Kunstprofessor (Martin Umbach) an. Als sich die beiden immer näher kommen, stellt sich heraus, daß der Professor der ehemalige Geliebte ihres Vaters ist. Im folgenden entwickelt sich eine verzwickte Liebesgeschichte mit etlichen Komplikationen. Einer der wichtigsten Drehorte ist die alte Rostlaube der Freien Universität in Dahlem. Zwischen dem Schwulencafé „Rosa Salon“ und der plastikroten Mensa spielt die Handlung, die sich zunächst nach reichlich makabrem Komödienstoff anhört, aber bald zum handfesten Psychothriller wird. „Und irgendwie ist der Film auch französisch angehaucht“, meint Claudia Bachmann. Da, wo Liebe ist, scheinen Franzosen nicht weit zu sein. Also wird in dem „Liebhaber“ pausenlos geredet, die Liebe als existentielle Frage begriffen und überhaupt reichlich rumfranzöselt.

„Urimpression und retentionale Modifikation. Retention als eigentliche Intentionalität“, murmelt eine der Darstellerinnen, die durch den Innenhof des Unigebäudes schlendert. Die Schauspielerin Jaschka Lämmert braucht einige Zeit, bis sie ihren Text fehlerfrei über die Lippen bringt. Doch die Crew behält die Ruhe. Es ist der vorvorletzte Drehtag, und alle wissen, daß das rund 30köpfige Team aus vielen Anfängern besteht. Der Beleuchter mißt zum x-ten Mal das Licht, und der Tonmann ärgert sich höchstens über den Hubschrauber, der nicht verschwinden will. Wenigstens schiebt sich keine Wolke vor die Sonne.

Wenig Erfahrung, viel Motivation

Nur wenige bringen die Erfahrung von Martin Umbach mit, der schon bei vielen Kino- und Fernsehproduktionen vor der Kamera stand. „Was an Erfahrung fehlt, gleichen wir durch mehr Einsatz und Motivation wieder aus“, sagt Felix Zackor. Er ist der Produzent des Films und der Wächter über das mit 30.000 Mark äußerst dürftige Budget. „Im Fernsehen reicht das gerade für ein paar Minuten, doch wir müssen den ganzen Film davon finanzieren.“

Der Ärger über das ZDF ist mittlerweile etwas verraucht. Das Unverständnis ist geblieben. In Deutschland entstehen Filme nur selten ohne Fernsehbeteiligung. Der Filmförderung fehlt nicht zuletzt die Bereitschaft, auch einmal unkonventionell und unbürokratisch zu handeln. Und der Mut zum Risiko ist in Zeiten knapper Kulturkassen nicht gerade größer geworden. „Dadurch ist die Situation entstanden, daß du erst einen Film vorlegen mußt, bevor dir die Möglichkeit geboten wird, eventuell eine Finanzierung für das nächste Projekt zu erhalten“, sagt Claudia Bachmann und schüttelt den Kopf. Nach der ZDF-Absage hatte sie kurz mit dem Gedanken gespielt, ihr Drehbuch bei einer Filmförderung einzureichen. „Doch dann hätte ich erst einmal zwei Jahre warten müssen. Und ob ich dann noch an dem Stoff interessiert gewesen wäre?“

Trotzdem ging es erst los, als ein weiterer Student von der dffb in das Projekt einstieg. „Weil ein Langfilm immer besser ist als zwei Kurzfilme“, beschloß der Kameramann Frank Amann, seinen eigenen Abschlußetat für den „Liebhaber“ zu opfern. Filmemachen ist nur zum Teil ein kreativer Prozeß. „80 Prozent der Zeit habe ich damit verbracht, mir Gedanken über die Finanzierung zu machen“, sagt die Regisseurin rückblickend.

Wenn der Film nun in einigen Wochen aus dem Schnittstudio kommt, geht er den üblichen Weg der Debütfilme. Eine Fernsehauswertung, womöglich sogar beim ZDF, hat oberste Priorität. „Aber nur bei den Öffentlich-Rechtlichen, für die Privaten ist der Stoff nichts“, meint Felix Zackor. Ansonsten versuchen die jungen Filmemacher ihr Glück auf Festivals. Vielleicht in Hof, vielleicht auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken. Und vielleicht findet der Film ja doch noch auf verschlungenen Pfaden ins Kino.

An ein nächstes Projekt denkt Claudia Bachmann zur Zeit nicht. Dazu fehlt ihr die Kraft. Und das Geld. „Jetzt muß ich erst einmal zusehen, daß ich die Schulden, die sich durch diesen Film angehäuft haben, abarbeiten kann.“ Klar ist nur, daß es ein nächstes Mal geben wird. Ob mit Geld oder ohne, alle Schwierigkeiten sind schnell vergessen, wenn sie wieder „Film ab!“ rufen kann.

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