Rhododendron ohne Blüten

Wie ein Filmteam des Studio Hamburg eine Villa in Othmarschen für eine Serie nach allen Regeln der Kunst verunstaltet, beobachtete  ■ Elke Spanner

Als vor drei Tagen der bullige Laster eines Gärtners vor der alten Villa in Othmarschen hielt, schöpften die NachbarInnen berechtigte Hoffnung, daß ihre schmucke Straße zur altbewährten Ordnung zurückfinden würde. Mißtrauisch hatten sie die achtköpfige Wohngemeinschaft beäugt, die zu Jahresbeginn plötzlich in ihre Mitte ins feine Othmarschen gezogen war. Eine Erbschaft solle im Spiel sein, munkelte man, und daß es doch schade wäre um das schöne Haus. Doch dann kam endlich der Landschaftspfleger. Und in der Tat ist der Garten nicht wiederzuerkennen. Doch so hatte man sich das nun auch wieder nicht vorgestellt.

„Und bitte!“ Der Stuhl des Kameramannes rollt auf Schienen am Haus vorbei. Ein Pulk von Beleuchtern, Kabelträgern und Mikrofonhaltern klebt am Gefährt wie ein Bienenschwarm am Honigtopf. Um sie herum halten alle den Atem an. Husten und Handygeklingel sind verboten, bis die Szene im Kasten ist. Die beiden Kommissare, zwei der Hauptdarsteller der Krimireihe „Die Männer vom K3“, sitzen scheinbar gelangweilt in ihrem Wagen. Doch das Nickerstündchen ist schwerste Arbeit. Denn in der Villa wohnt ein Tatverdächtiger, den die beiden gewieften Kriminalisten gar unauffällig observieren.

Aus der Hecke lugt ein völlig vertrockneter Baum hervor. Marco C., Bewohner der Villa, wird rot. „Oh, der ist echt“, stammelt er. Gestern habe die WG geschlossen davor gestanden und gemeinsam gerätselt, ob der Baum eigentlich schon da war, bevor der Gärtner kam und den Vorgarten filmreif verunstaltete. Das restliche Chaos sei inszeniert, beteuert er flehend. Die Brennesseln, das verdörrte Bambusgesträuch, der Rhododendron ohne Blüten und der unkontrolliert wuchernde Efeu – alles Filmkulisse. Aber warum eigentlich sollten Bäume umstürzen, nur weil hinter der Fassade ein Mann lebt, der observiert wird?

„Und bitte!“ Ein weiteres Mal landet der Puderquast auf der Nase von Kommissar Kirchhoff. Besorgt blickt Producer Wolfgang Henningsen zum Himmel. Noch strahlt die Sonne. Doch erst eine Szene ist im Kasten, fünf weitere wollen heute noch gedreht werden. Und zwar unter gleichbleibendem Himmel. Erst bei tiefster Dunkelheit soll sich die Szenerie dann ins Innere des Hauses verlagern.

Die Wände des Wohnzimmers sind trist olivgrün gestrichen. An der Wand sind die schmuddeligen Ränder eines längst abgehängten Bildes zu erkennen. Dabei ist es eine durchaus zeitgemäß anmutende WG, die in der Villa lebt, und kein in den fünfziger Jahren hängengebliebenes Rentnerehepaar. „Die Kinder müssen schließlich ernährt werden“, erklärt Marco C. beleidigt, warum das strahlende Weiß der Wände moderiger Farbe weichen mußte, nur um einmal ins Fernsehen zu kommen. Und für einen Monat wenigstens seien die laufenden Kosten für das Haus nun gedeckt. Das lukrative Dankeschön für die Filmkulisse soll aufs Haushaltskonto fließen, sobald das Team von Studio Hamburg wieder abgezogen ist.

„Und bitte.“ Hoffentlich ist Kommissar Kirchhoff inzwischen nicht wirklich eingeschlafen. Seit einer Stunde sitzt er in seinem Wagen, dabei soll die Einstellung später nur wenige Sekunden zu sehen sein. Die Augen hält Kirchhoff ohnehin geschlossen, denn die Sonne strahlt ihm penetrant ins Gesicht.

Friedlich vereint sitzt die WG im Kreis um die Sandkiste herum und plant „the day after“. Eine Farbpalette macht die Runde, denn es gilt zu entscheiden, ob das Wohnzimmer später grün bleiben oder doch wieder weiß werden soll. Nur Marco zieht mit seinem Camcorder über das Anwesen und dreht den Film zum Film – für kommende lustige WG-Abende in Othmarschen.