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KommentarAparte Idee

■ Gesamtmetallchef Stumpfe empfiehlt Bildung statt mehr Lohn

Wer keine wirtschaftlichen Sorgen kennt, hat gut reden. Am Donnerstag eröffnete Gesamtmetallchef Werner Stumpfe die Tarifrunde 1999. Mehr Arbeitsplätze, mehr Einkommen. Es scheint, als hielte Stumpfe ein Füllhorn hin. Die Grunddaten der Branche sind ja nicht schlecht. Seit 1994 stiegen die Unternehmensgewinne von 9 auf 40 Milliarden Mark, die Produktivität nahm um 32 Prozent zu. Metall- und Elektroindustrie geht es glänzend.

Kein Wunder, wenn die Gewerkschaft gerne in die vollen langen würde. Sie weiß, wer die Basis für den Aufschwung schuf: Seit 1993 sind gut eine halbe Million Arbeitsplätze abgebaut worden. Dem steht nun die Aussicht gegenüber, bis Ende des Jahres 60.000 neue Stellen zu schaffen und noch einmal so viele im kommenden Jahr. Nun mag der Metallchef aber keine Hoffnung auf größere Einkommenserhöhungen machen. Er will über vier Prozent mehr reden, ein Einkommensplus inklusive Beschäftigungszuwachs. Real dürften die Metaller wohl auf zwei Prozent spekulieren. Angesichts der fetten Unternehmensgewinne eine dürftige Perspektive für die Gewerkschafter. Lange genug haben die Arbeitnehmer stillgehalten und wollen nun Bares sehen.

Diese Begehrlichkeit kalkuliert Stumpfe ein. Um sie abzuschwächen, mengt er bereits im Vorfeld der tariflichen Auseinandersetzung die moralische Komponente mit ein. Die Tarifparteien müßten sich auch um Langzeitarbeitslose kümmern. Weil die aber erfahrungsgemäß im Lauf der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit an Qualifikation einbüßen, könnten sie zu einem niedrigen Einstiegstarif beschäftigt werden, bei gleichzeitiger Weiterbildung im Betrieb. Eine aparte Idee: Qualifizierung statt Lohn. Leider unrealistisch.

Gerade in der Metallbranche werden einfache Arbeiten so gut wie gar nicht mehr nachgefragt. Woher könnten diese neuen Jobs kommen? Selbst wenn es Stumpfe gelingen sollte, einzelne Betriebe dazu zu bewegen, niedere Beschäftigungsfelder anzubieten, wird er kaum einen Langzeitarbeitslosen wirklich beglücken können. Wer am unteren Ende der Lohnskala ist, will schlichtweg mehr Geld. Und dann vielleicht mehr Bildung.

Werner Stumpfe hält kleine Symbole für große Politik. Für eine neue Partnerschaft mit den Gewerkschaften reicht es nicht, sich ein Füllhorn unter den Arm zu klemmen und sorglos zu tun.

Annette Rogalla Interview Seite 6

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