■ Bonner Nebensachen aus aller Welt
: Verwirrung um Tschroder in El Salvador

Vor ziemlich genau vier Jahren, einen Tag nach der Bundestagswahl, traf ich einen Bekannten, der als Professor an einer hiesigen Universität arbeitet und Zeitgeschichte unterrichtet. Beiläufig erzählte ich ihm, wir hätten noch immer denselben Kanzler, genauso wie vorher. „Ah“, sagte er, „Boris Jelzin hat also schon wieder gewonnen.“ Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, daß dieser Mann wußte, daß ich Deutscher bin. Deshalb ging ich großzügig über seine Bemerkung hinweg und schob die Verwechslung darauf, daß El Salvador erst vor zwei Jahren seinen Bürgerkrieg beigelegt hatte und deshalb noch sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Jetzt, vier Jahre später, feiern die Regierenden dieses Land gerne als Musterbeispiel der Globalisierung. Und Deutschland ist immerhin einer der wichtigsten Handelspartner und der größte Importeur von salvadorianischem Kaffee, dem traditionell wichtigsten Exportprodukt. Diesmal müßten die Leute über die bevorstehende Wahl mehr wissen. So startete ich eine kleine Umfrage. Nicht unter Universitätsprofessoren – die leben auch hier ein bißchen abgeschnitten von der Welt –, sondern unter Journalistenkollegen. Bevorzugt erkundigte ich mich bei solchen, die für die internationalen Seiten der Tageszeitungen verantwortlich sind.

In Deutschland war noch keiner und keine von ihnen. Einen Korrespondenten dort hat auch niemand, weil überhaupt keine salvadorianische Zeitung auch nur einen einzigen Korrespondenten hat. Die Redakteure kleben ihre internationalen Seiten ausschließlich mit Agenturmaterial zu. Dabei müßte ihnen, so dachte ich zumindest, ab und zu auch eine Meldung zum deutschen Wahlkampf unter die Schere kommen.

Die erste Frage war unverfänglich. Ich wollte drei Namen von prominenten Deutschen wissen. Das Ergebnis: Deutschland besteht für salvadorianische Journalisten in erster Linie aus Sportlern, genauer gesagt meist aus Fußballern: Berti Vogts (der hier Verti Bogts ausgesprochen wird), Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Katharina Witt. In zweiter Linie aus Philosophen (Hegel, Marx) und drittens, mit einigen geografischen Unschärfen, aus Komponisten (Beethoven, Mozart).

Politiker gibt es für sie nur einen einzigen: Helmut Kohl. Aber wie dessen Amt heißt, weiß kein Kollege. Das allerdings ist verständlich. In El Salvador trägt der Außenminister den Titel Kanzler. Folgerichtig hält man hier Helmut Kohl für den Präsidenten oder Premierminister von Deutschland.

Die zweite Frage war schon etwas konkreter. Was sagt Ihnen der Name Schröder? „Wie bitte?“ fragt die Kollegin erstanut zurück. „Können Sie mir das bitte buchstabieren?“ Ich buchstabiere. „Ah, Tschroder“, sagt sie, denn sch und ö sind für Salvadorianer unaussprechlich. „Wer ist das?“ Auch unter ihren männlichen Kollegen kommt keiner drauf. Nicht einmal mit dem klavierspielenden Kerlchen aus der Peanuts-Bande wird er verwechselt, denn die heißen hier „Rabanitos“ und haben ganz andere Namen.

Einer immerhin wußte die dritte Frage nach dem Datum der Bundestagswahl zumindest annäherungsweise zu beantworten: Das sei doch noch irgendwann in diesem Jahr. Und er wußte sogar noch etwas mehr: Kohl habe da einen Herausforderer, der aller Voraussicht nach gewinnen werde. „Ich habe erst neulich ein Interview mit ihm in Newsweek gelesen. Aber wie hieß der noch gleich?“

Ich helfe ihm ein wenig auf die Sprünge und frage ihn dann, von welcher Partei denn der Herausforderer sei. Lange denkt der Kollege angestrengt nach. Dann sagt er schließlich: „Ich denke, er ist von derselben Partei wie Kohl.“ Wie er denn darauf komme? Nun ja, Interviews mit Kohl habe er schon einige gelesen. Und was Schröder in Newsweek gesagt hat, sei so ziemlich genau dasselbe gewesen. Toni Keppeler