Hurra, der Wahlkampf kommt!

Berlin (taz) – Lang versprochen, endlich da: die „heiße Phase“ des Wahlkampfs. „Bewegung“ heißt ihr Schlüsselwort. Die SPD-Spitze jettete am Samstag von Berlin über München nach Bonn. „Kohl muß weg!“ skandierte Vorsitzender Lafontaine die zentrale These der Partei, und Tausende fielen jeweils ein. „Endlich bewegen wir auch einmal die Massen“, freute sich ein Genosse. Schröder legte sich so ins Zeug, daß ihm bei der letzten Kundgebung fast die Stimme wegblieb. „Wir wollen gewinnen“, krächzte er.

„Wenn jeder mit anpackt, werden wir es schaffen“, beschwor dagegen der Kanzler gestern in Dortmund 18.000 Getreue. Ein Hauch von Abschied lag in der Luft. Die drohende rot-grüne Koalition verglich Kohl mit den Hannoveraner „Chaos-Tagen“. Für Chaos aber sorgte gleich sein neuer Wirtschaftsberater, der quirlige Lothar Späth. Unberührt von den Warnungen des Kanzlers vor einer Großen Koalition, sagte Späth dem Spiegel, er habe „überhaupt keine Probleme mit dem Thema“. Und Schröder hämte: Kohl und Waigel „werden ihre Worte aufessen müssen am Tag nach der Wahl. Die Partei wird sich auch nicht drum kümmern, wenn nichts anderes geht.“

Noch fünf Wochen also bis zur Wahl, fünf Wochen eines „Wahlkampfs ohne Thema“, wie der Publizist Warnfried Dettling in einem Debattenbeitrag für die taz schreibt; eines Wahlkampfs, nach dem „die Wähler so wenig wie noch nie wissen, was sie eigentlich bewegen, wenn sie etwas bewegen“. ci Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 12