■ Zur Einkehr: In der Strandlust
Als Kontrast zur alltäglichen reinen Nahrungsaufnahme wollen wir mal richtig schön essen gehen, nicht aufs Geld gucken. Wir wollen aber auch etwas besonderes als Ambiente: Entweder gaaanz gemütlich. Oder Natur.
Strandhalle Vegesack suchen wir aus. Da haben wir viel von gehört, da kann man aufs Wasser gucken, da gibt es bestimmt einen Parkplatz vor dem Haus – denn meine hüftoperierte Mutter geht noch am Gehbock. Als der Tag kommt, ist das Wetter schlecht. Wir bleiben dabei, denn am Meer – und da liegt Vegesack ja – ändert sich auch bei schlechtem Wetter stündlich alles. Mit meiner Mutter noch einmal aufs Behindertenklo, wo ihr im Fahrstuhl dorthin die Türen auf die Hände knallen und die automatische Tür sie fast wieder zurückbeförderte, weil sie mit ihrem Gehbock nicht schnell genug war, um gefahrenlos zu passieren.
Die Lektüre der Speisekarte vertrieb diesen Streß. Das Lesen allein läßt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und diese Stimmung gewann auch die Oberhand über jene, ausgelöst durch das etwas gruselige modernistische Möbelambiente, das durch pfiffige und witzige Fotos erträglich gemildert wurde. Und natürlich der Blick auf das Wasser: unbezahlbar der Platz am Fenster.
Gegessen haben wir schließlich auch noch. Die wunderbare Speisekarte ist ein Mischung aus norddeutscher, französischer und in den arabischen Raum hineinreichende Mittelmeerküche. Je sieben Fisch- und Fleischgerichte gibt es, je drei auf der Tageskarte, was erfahrungsgemäß besser ist. Die internationalen Fleischgerichte übersehen wir ebenso wie die Perlhuhnbrust im Wirsingblatt. In der Strandhalle Vegesack muß es natürlich Fisch sein.
Wir haben die schwere Wahl zwischen Rotbarbenfilets auf Wirsingstreifen, Catfishfilet mit Shrimps und Blattspinat sowie dem gegrillten Schwertfischsteak „provencal“ mit Safranreis. Bei Catfish fällt mir Porgy and Bess ein, das spielt in der Catfish Row. Hilft mir in diesem Fall aber auch nicht weiter. Sein Fleisch jedenfalls ist fest, saftig und voller Aroma: perfekt in Knoblauchbutter gedünstet. Und die provencalische Haube über dem kräftigen Schwertfischsteak kann sich essen lassen: ein wunderbares Geheimnis aus Tomaten, Oliven und ???. Ungemein einfallsreich auch der Nachtisch: Saftiger Birnenstrudel mit Haselnüssen auf weißer Zimtsauce. Wegen der unvermeidlichen Autofahrt konnte kein Wein probiert werden, leider. Die Preise: bei dem Niveau kann man über 34 Mark nicht meckern. Da freuen wir uns schon auf's nächste Mal. usl
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