„Dann machen wir die Weser dicht“

■ Weserfischer wehren sich gegen TBT- verseuchten Hafenschlick aus Bremerhaven

„Hier hat er gestanden, hier.“ Erregt weist Elmar Hüttenmeister von der Interessengemeinschaft Weserfischer neben das Ruder auf der Brücke seines Ausflugsdampfers „Vega II“. Das Schiff liegt vertäut im kleinen Hafen Fedderwardersiel an der Weser. Zehn Fischkutter schwappen hier mit jeder Windböe an die Kaimauern. Insgesamt gehen 32 Fischer in der Wesermündung auf Krabben, Kabeljau, Scholle und Seezunge. „Seezunge gibt es schon gar nicht mehr“, mault Fischer Andreas Thaden. „Der Gravert hat uns versprochen, eine Deponiemöglichkeit seines Hafenschlammes an Land zu finden. Dafür haben wir unsere Anzeige gegen ihn zurückgenommen“, schimpft Elmar Hüttenmeister. „Damals wußten auch wir noch nichts über Tributylzinn.“

Der Mann, den Hüttenmeister auf seiner Brücke am liebsten packen möchte, „der Gravert“, ist der Leiter des Hanseatisch Bremischen Hafenamtes Bremerhaven, zuständig für die Entsorgung des Baggergutes aus dem Bremerhavener Hafen. Das ist schwer mit dem Hormongift Tributylzinn (TBT) verseucht, das aus algenabweisenden Schiffsfarben stammt. Das Gift bedroht Fische, hat schon zum Aussterben von Schnecken geführt und in Frankreich Austernbänke vernichtet. Es wirkt tückisch: TBT greift in den Hormonhaushalt von Lebewesen ein und wirkt langfristig mit einer Giftigkeit, die der des Dioxins nicht nachsteht. Von hormonell wirkenden Giften sind auch Menschen bedroht.

Bis vor gut einem Jahr wurde der Bremerhavener Schlamm genau am Wurster Arm in den Nationalpark Wattenmeer gekippt. „Schlimm“, erinnert sich Weserfischer Andreas Thaden. „Die Trübung durch den Schlamm hat uns Fische und Krabben verscheucht.“ Sein Kollege Manfred Friedhof erstattete Anzeige gegen das Bremische Hafenamt – und plötzlich kam heraus, daß für die Verklappungen keine Genehmigungen vorlagen. Das war 1995. „Von Tributylzinn hatten wir da noch nichts gehört“, sagen die Fischer. Was in den Antifouling-Farben auch ihrer Schiffe enthalten war, dafür hatten sie sich nie interessiert. Heute wissen sie es.

Ihre Anzeige trat eine Schlammwelle los, die bis heute schwappt: 1997 verbot das Land Niedersachsen, Hafenschlamm in die Nordsee zu kippen; erstmals mit der Begründung, der Dreck sei mit TBT verseucht. Während der erzwungenen Verklappungspause stellte sich heraus, daß Kurbäder wie Dorum und Wremen nicht mehr wie bislang mit Schwemmsand zugespült wurden. Offensichtlich hatten die Verklappungen zuvor zu Versandung der Strandbäder geführt. „Wir sehen das doch auf See, daß durch den ständig reingekippten Dreck Priele verschwinden und mache Flächen bei Flut gar nicht mehr geflutet werden“, meint Andreas Thaden. Oft bleiben Fangnetze im weichen Schlamm hängen. Neue Krabben- und Fischbestände können sich nicht mehr aufbauen.

Außerdem verteilte sich TBT flächendeckend. Heute ist die gesamte Nordseeküste stark belastet. Auch niedersäschsische Küstenorte, wie Norddeich, Bensersiel und Hooksiel sind hochgradig mit TBT verseucht. Zwar gibt es hier keine Werften wie in Bremerhaven, aber aus den Schiffahrtswegen driftet das Gift an die Küsten. Für Sportboote ist TBT-Farbe bereits verboten. Trotzdem werde sie benutzt. Die sogenannte „Getränke-Connection“ funktioniert. Gegen eine Pulle Schluck werden teure TBT-Farben weitergereicht.

Nachdem Bremen seinen Hafendreck nicht mehr über den Deich werfen darf, droht der Bremerhavener Hafen zu versanden. Schnellstmöglich möchte Hafenamtsleiter Hinrich Gravert wieder verklappen. Diesmal in die Weser. „Dann gibt es Ärger“, droht Elmar Hüttenmeister. Die vom Hafenamt vorgesehenen Verklappungsstellen sind entweder von hoher ökologischer Wertigkeit – oder die Fischdichte ist dort besonders hoch. In der Wesermündung liegt zudem ein wertvolles Sandriff, das vom Austerben bedroht ist; dort tummeln sich viele Seehunde. Die Wirtschaftszonen in Weser und Wesermündung liegen alle eingebettet in den Nationalpark Wattenmeer. „Sagen sie mal dem Gift, es dürfte nur in der Wirtschaftszone bleiben und nicht in die Schutzzonen schwappen“, ärgert sich Fischer Thaden.

Die Fischer finden es absurd, daß gerade die Weser vertieft wird, die gleichen Stellen jetzt aber mit dem Giftschlamm gefüllt werden sollen. Wollte Bremen den TBT-Dreck in die Weser kippen, dann müsse ein neues Planungsverfahren eingeleitet werden, fordern sie. Einen entsprechenden Brief haben die Fischer schon an Häfensenator Uwe Beckmeyer geschickt - bislang ohne Reaktion. Anfang September trifft sich die Verwaltung des Landkreises Wesermarsch mit Bürgermeister Hennig Scherf. Auch der Landkreis Wesermarsch und die Städte Nordenham und Brake lehnen mit Blick auf den Fremdenverkehr die Verklappungen ab. „Wir warten aber nicht, was bei diesem Gespräch herauskommt“, meinen die Fischer. „Wenn verklappt wird, klagen wir selbst“, ist Hüttenmeister entschlossen. „Oder wir machen mit unseren Kuttern die Weser dicht, das haben wir schon mal gemacht“, sagt Thaden. schu