■ Ein Buch über den Bundesnachrichtendienst und die Medien
: Geschäfte auf Gegenseitigkeit

Zwischen Politik und Medien lautet eine Grundregel: Geschäfte nur auf Gegenseitigkeit. Wer bestimmte Informationen erhalten will, muß sich immer auch ein Stück weit auf die Spielregeln einlassen, die die Gegenseite diktiert. In Bonn wird das Spiel in Hintergrundkreisen bis zur Perfektion betrieben. Politiker nehmen Einfluß, indem sie bestimmte Informationen weitergeben, um Debatten in Gang zu setzen, um Widersacher anzuschwärzen und zu Fall zu bringen. Oft ist der Journalist dabei auf sich allein gestellt: Was verwertet er, wie weit macht er mit, wann zitiert er eine Quelle anonym? Persönliche Eitelkeiten, Konkurrenzdruck und parteipolitische Nähe sind häufig wichtiger als die Verpflichtung, sich mit den sogenannten Mächtigen nicht gemein zu machen.

Unter verschärften Bedingungen arbeiten jene Kollegen und Kolleginnen, die im trüben Wasser der Geheimdienste fischen. Sie wissen, daß hier Informationen in der Regel zielgerichtet vergeben werden. Sei es, um in der Öffentlichkeit ein positives Bild über die Arbeit der Dienste herzustellen, sei es, um indirekt in Hauskämpfe der Geheimen einzugreifen. Der Satz, wonach die Wahrheit im Krieg als erste auf der Strecke bleibt, gilt in Teilen auch für die Berichterstattung über Geheimdienste. Dem Autor Erich Schmidt- Eenboom gebührt das Verdienst, einen Einblick in die Beziehungen zwischen Bundesnachrichtendienst und Medien ermöglicht zu haben. Einmal von jenen abgesehen, die sich ohnehin als PR-Agenten des Dienstes verstehen und sich häufig auch ein bescheidenes Nebensalär verdienten, überrascht doch, wie viele Journalisten sich auf das Geschäft des Gebens und Nehmens einließen – und noch immer einlassen. Darüber wird – bis auf wenige Ausnahmen – selten berichtet.

Weitaus beherzter ist die Branche, wenn es darum geht, die Überschreitungen anderer Berufszweige zu kritisieren. Sind die eigenen Methoden im Visier, stößt man im Mediengeschäft allzu häufig auf ein Kartell des Schweigens, zumindest der gegenseitigen Rücksichtnahme. Um so weniger kann es also überraschen, wie verhalten – von Ausnahmen abgesehen – Schmidt-Eenbooms Buch bislang aufgenommen wurde. Es zielt eben mitten ins Selbstverständnis der Medien, die von sich allzu gerne das Bild der unabhängigen vierten Gewalt zeichnen. Man darf wohl getrost behaupten, daß der Aufschrei größer gewesen wäre, wenn Schmidt-Eenboom sich anderen Verflechtungen gewidmet hätte: denen der Medien mit der Stasi. Severin Weiland