Leute, kauft mehr Speicherchips!

Weil die Manager mit ihren Verkaufsprognosen für Computerspeicher völlig danebenlagen, droht nun das große Fabrikensterben. Dieses Jahr schon 17.000 Stellen abgebaut. Speicherpreise sind so niedrig wie nie  ■ Von Rüdiger Haum

Berlin (taz) – Die goldenen Jahre im Geschäft mit den Speicherchips sind erst mal vorbei. Die Nachfrage wächst langsamer als die Produktion, und folglich sackten die Preise auf ein historisches Tief. Die von Siemens Ende Juli bekanntgegebene Aufgabe des Chipwerks im englischen North Tyneside war nach Ansicht von Marktanalysten nur der Auftakt zu einer großen „Marktbereinigung“.

Auch andere große Hersteller werden auf Grund des anhaltenden Preisverfalls bei den Halbleiter-Chips Fabriktore für immer schließen müssen. Hatte ein 16-Megabit-Speicherchip im Frühling vergangenen Jahres noch etwa zehn Dollar gekostet, so dümpelt sein Preis jetzt bei einem schlappen Dollar und 50 Cents.

Vor drei bis vier Jahren, als Speicher noch knapp und teuer war, glaubte die Branche noch einhellig, daß Speicher für PCs der Markt der Zukunft seien, und träumten von riesigen Wachstumsraten. Nach Angaben des Fachverbands für Bauelemente der Elektronik stieg der Bedarf an Speicherchips 1995 durch einen Boom im PC-Markt um 40 Prozent.

Bis über das Jahr 2000 hinaus sollte es nach den Plänen der Konzernlenker so weitergehen. Ein Werk neben dem nächsten entstand und produzierte Speicherbausteine, die jetzt in den Lagern verstauben. „Daß es im Chipgeschäft preislich immer ein starkes Auf und Ab gibt“, sagt ein Betriebsrat der Siemens AG, „ist allgemein bekannt, und wir haben versucht, die Konzernleitung von ihrer Euphorie abzubringen.“

Doch Siemens-Konzernchef Heinrich von Pierer überhörte die Warnungen. Anfang dieses Jahres wurde klar, daß selbst Microsofts neues Windows '98 nicht genug Speicher brauchen würde, um die Nachfrage nach den Wünschen der Konzernmanager anzuheizen. „Der Markt wächst zwar“, sagt ein Aktienexperte, „aber wesentlich weniger als erhofft.“

Dazu kommt bei Siemens, daß die Firma zur Zeit nicht genügend qualifizierte Ingenieure findet. Nun räche sich, so der Betriebsrat, daß Siemens in den mageren Zeiten den Ingenieur-Nachwuchs nicht mehr genug gefördert habe. Dadurch sei eine Wissenslücke entstanden, die es nun erschwere, unter dem derzeitigen Druck konkurrenzfähig Chips zu entwickeln.

Für viele Heimcomputer-Benutzer mache es eben keinen Sinn, so ein Vertreter des Verbands für Elektronik-Bauelemente, mehr als 64 Megabyte Hauptspeicher zu haben. Auch die Asienkrise macht sich bemerkbar. In Folge verschwanden dieses Jahr bereits 17.000 Jobs in der Chipproduktion.

Branchenkenner und Industriebosse schieben dabei gerne die Schuld auf Süd-Korea, wo 40 Prozent aller Speicherchips weltweit produziert werden. Süd-Korea habe gezielt große Überkapazitäten aufgebaut, so ein Brancheninsider, und sei preislich besonders aggressiv.

Tatsächlich bieten die Südkoreaner derzeit ihre Chips zu einem Preis unter ihren Herstellungskosten an. Besonders verärgert die Branche, daß die Südkoreaner ihre billigen Chips indirekt über IWF- Gelder mitfinanzieren. Die billigen Chips aus Süd-Korea, behauptet ein Vertreter des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektroindustrie, hätten de facto den Rest der Chipindustrie gezwungen, ihre Waren zu verschleudern.