Kommentar
: Schneller zum Recht

■ Der Bundesjustizminister will Gerichtswesen grundlegend reformieren

Darf ein Justizminister den Abbau von Rechtsschutz fordern? Und das im Interesse der BürgerInnen? Auf den ersten Blick ist das ein Gedanke von Orwellscher Qualität. Doch völlig abwegig sind die Pläne von Justizminister Edzard Schmidt- Jortzig nicht. Durch den Abbau von Rechtsmitteln und Instanzen sollen die BürgerInnen schneller zu ihrem Recht kommen. Dabei soll die erste Instanz auch personell und strukturell (bessere Gehälter!) gestärkt werden.

Das Prinzip „Je mehr Instanzen sich mit einem Fall beschäftigen, um so richtiger das Ergebnis“ mag manchmal stimmen, ist aber sicher nicht immer richtig. Denn es führt auch dazu, daß die Justiz angesichts der großen Prozeßlust der Deutschen immer mehr unter Druck gerät. Wenn Fälle aber nur noch lustlos abgehakt werden – in der Erwartung, die nächste (ebenfalls überlastete) Instanz werde etwaige Fehler schon ausbügeln –, dann ist für die Rechtsuchenden wenig gewonnen. Im Gegenteil, sie haben Monate und Jahre verloren.

In Zivilprozessen kann es um viel Geld gehen, es können Existenzen auf dem Spiel stehen, und im Strafprozeß wird die seelische Anspannung von Angeklagten und Opfern unnötig verlängert. Dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dient die deutsche Instanzenseligkeit jedenfalls nur bedingt.

Natürlich sind RechtsanwältInnen aus naheliegenden Gründen erst einmal gegen die Reform, könnte sich doch die Zahl der Prozesse deutlich verringern. Insofern ist es mutig, daß sich Schmidt-Jortzig so kurz vor den Wahlen noch mit einer nicht ganz unwichtigen FDP-Klientel anlegt.

Allerdings kann der Gedanke, Gerichtsurteile in einer zweiten Instanz zu überprüfen, auch nicht von heute auf morgen einfach aufgegeben werden. Ein Gericht oder ein(e) EinzelrichterIn, die in Zukunft keinerlei Kontrollinstanz mehr über sich haben, werden natürlich der Versuchung ausgesetzt sein, schlampig oder allzu eigenwillig zu urteilen. Das belegen auch neuere Untersuchungen zum Zivilprozeß, wo heute schon bei niedrigem Streitwert kein Rechtsmittel mehr möglich ist.

Für eine akzeptable Reform kommt es daher auf eine ausgewogene Mischung an. Mancher Prozeß müßte in der zweiten Instanz nicht völlig neu aufgerollt werden, aber eine zweite Instanz sollte es überall geben. Christian Rath

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