Pat McEnroe macht einen Fehler

Während sich die Stars beim Kids Day auf die heute beginnenden US Open einstimmen, rackert die zweite Garnitur in der Qualifikation um letzte Startplätze  ■ Aus New York Thomas Hahn

Es hat viel Beifall und bewundernde Blicke gegeben für die Prominenz des Tennissports am Arthur Ashe Kids Day, dem Kindersamstag zu Ehren des früh verstorbenen Champions Arthur Ashe. Die US Open beginnen schließlich erst heute, weshalb sich die Favoriten noch mal für Spiel, Spaß und Werbung hergeben konnten. Der Weltranglistenerste Pete Sampras trainierte ungezwungen vor tausend Zeugen, sein weibliches Pendant, Martina Hingis, machte beim Zielvollieren mit, nachdem sie vor der Presse ihre Vorliebe für die Sängerknaben der Soft-Pop- Combo Backstreet Boys erläutert hatte, die im Rahmenprogramm musizierten. Und Venus Williams, US-Open-Finalistin 1997, gab sich für eine Kampagne zu mehr Sicherheit beim Autofahren her. US-Verkehrsminister Rodney Slater schüttelte hoch erfreut ihre Hand und rief: „Ich bin hier, um allen Amerikanern zu sagen: Schnallt euch an!“

Tennisprofi Bernd Karbacher (30) aus München ist von alledem unberührt geblieben. Er schlich unerkannt zum Training, und als er mit seinen Übungen begonnen hatte, erkundigte sich eine Touristin barsch, wer denn der lange Typ in den grünen Shorts sei. Besonders viel Rummel hat es um Karbacher noch nie gegeben; nicht einmal, als er im April 1995 bis auf Platz 22 der Weltrangliste geklettert war. Und jetzt erst recht nicht. Seit ihn im vergangenen Jahr nacheinander Herzmuskelentzündung und Knöchelverletzung lahmlegten, ist er in der Weltrangliste so weit hinten notiert, daß er sich über das Qualifikationsturnier für das Hauptfeld empfehlen mußte – was ihm nach einem 5:7, 6:3, 7:6 gegen den Argentinier Andres Zingman gelang. 104 der 128 Startplätze sind bei den US Open an die Besten der Weltrangliste vergeben, dazu verteilt der amerikanische Verband acht Wild Cards. Um die restlichen 16 Plätze dürfen sich weitere 128 Profis balgen. Und die tun das auf hohem Niveau.

Das kriegt nur leider kaum jemand mit, weil es gängige Ansicht ist, daß im Turnier zum Turnier nur die Loser der Branche versammelt sind. Tatsächlich ist es aber so, daß sich hier lauter Hochbegabte messen, die entweder durch Verletzungen zurückgeworfen wurden, am Anfang ihrer Karriere stehen oder einfach das Pech haben, bei allem Talent nur halb so genial zu sein, wie jene, die zur höchsten Gesellschaft der Branche gehören. Karbacher sieht es deshalb auch nicht als Abstieg, nach Jahren in der Elite nun im Vorprogramm aufzuschlagen. „Das ist eher ein normaler Prozeß.“ Und eine Herausforderung, sich wieder hochzuarbeiten. Auf Rang 250 war er abgerutscht, 155. ist er zur Zeit. Ziel ist es, unter die besten hundert zurückzukehren. Doch die Siege in der Qualifikation fallen nicht leicht. Die Konkurrenz wehrt sich, schließlich geht es um viel Geld: Eine Niederlage in der ersten Hauptrunde bringt 12.000 Dollar, eine in der letzten Qualifikationsrunde 7.000.

Die erfolgreiche Qualifikantin Miriam Schnitzer (21) aus Ingolstadt würde deshalb schon mal gerne wissen, „wie sich eine in der Qualifikation macht, die sonst gleich im Hauptfeld startet“. In New York bekam sie Aufklärung: Jana Kandarr (21), 1995 als Viertelfinalistin beim Turnier in Hamburg viel zu früh viel zu laut als zukunftsträchtige Begabung gepriesen, wurde erstmals in die Qualifikation geschickt und scheiterte prompt in Runde zwei 1:6, 6:3, 3:6 an Marlene Weingärtner (18). Daß Qualifikanten im Hauptfeld grundsätzlich keine Chance haben, ist längst widerlegt: Filip Dewulf (Belgien) erlaubte sich 1997 bei den French Open den Spaß, erst die Qualifikation zu überstehen und danach bis ins Halbfinale vorzudringen.

Traurig ist dagegen die Geschichte, die Patrick McEnroe, Bruder der einstigen US-Tennisgröße John McEnroe, zum Thema Qualifikation und ihre Tücken beitragen kann. Nach zwei Schulter- Operationen ist er auf Weltranglistenplatz 656 abgesackt, was der amerikanische Verband mitleidig notierte und den Gebeutelten für die US Open mit einer Wild Card ausrüstete.

McEnroe lehnte ab, um in der Qualifikation Spielpraxis zu sammeln, ging frisch ans Werk – und verlor in Runde eins 4:6, 2:6 gegen einen gewissen Michael Joyce aus Los Angeles. 9.000 Dollar hat McEnroe das gekostet, dafür dürfte Michael Russell (USA) ihn ins Nachtgebet eingeschlossen haben. Der bekam nämlich McEnroes Wild Card und kam so um alle Schwierigkeiten herum, die er als 302. der Bestenliste in der Qualifikation wohl gehabt hätte.