Der alltägliche Rassismus auf dem Theaterplatz in Weimar

■ In der zukünftigen Kulturhauptstadt wurden ausländische Studenten vier Wochen lang von Neonazis beschimpft

Weimar (taz) – Es flog ein Pflasterstein, es kam zu körperlichen Attacken, es wurden etliche Bierbüchsen geworfen und rassistische Parolen gerufen: Tagtäglich sind in den vergangenen vier Wochen ausländische Studentinnen und Studenten in Weimar von rechtsgerichteten Jugendlichen belästigt worden. Wie die Bauhaus-Universität als Organisator der 6. Europäischen Sommerakademie mitteilte, mußte für die Teilnehmer aus 26 Ländern abends eine Fahrbereitschaft eingerichtet werden, um „die Sicherheit der Sprachschüler zu gewährleisten“. Zweimal wurde Strafanzeige erstattet.

Seit Wochen belageren 40 bis 50 Jugendliche den Theaterplatz im Zentrum Weimars und belästigen Passanten mit „Sieg Heil!“-Rufen, „Wir sind die Retter Deutschlands“ und „Geht heim in euer Scheißland“. Doch Sprecher von Innenministerium, Polizei und Bauhaus-Universität wollen nicht von „organisierten Rechtsextremen“ reden. Lediglich von „alkoholisierten Jugendlichen, die unter rechtsradikalem Einfluß stehen“. Einige der 14- bis 18jährigen hingegen bekannten gegenüber der taz offen: „Wir sind Neonazis.“

Indes ist Weimar um Schadensbegrenzung bemüht; im nächsten Jahr trägt die Stadt den Titel Kulturhauptstadt Europas, am 19. Februar werden die Feierlichkeiten eröffnet. Bei der Polizei ist eine „Arbeitsgruppe Theaterplatz“ eingerichtet worden. Die Stadtverwaltung will zwei Streetworker im Kernstadtbereich einsetzen. Thüringens Innenstaatssekretär Gregor Lehnert sprach derweil von einer „sensiblen Lage“. Schließlich blicke 1999 die Weltöffentlichkeit nach Weimar.

Erst Ende Juli war in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald eines der bekanntesten Denkmäler für die Opfer des NS- Regimes geschändet worden. Der Anschlag geht auf das Konto Weimarer Jugendlicher. jr

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