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■ Magazin beweist: Auch Psychoklempner haben einen an der GlockeHauptsache polymorph pervers

Psychoanalytiker, so sagt man, sind die Menschen mit dem geringsten Humor weit und breit. Schlimmer noch als Lehrer. „Was willst du uns denn damit sagen?“ – so lautet zumeist die Reaktion auf den zaghaften Versuch, mal eine lustige Bemerkung zu machen, bei der man sich nichts, aber auch überhaupt nichts weiter gedacht hat. Genauso vertrocknet ist ihre Fachlektüre: Von Psychologie heute, dem Zentralorgan der Seelenklempner, bis hin zu (pseudo-)wissenschaftlichen Fachbüchern – nirgends ist auch nur ein Fünklein Humor zu entdecken. Doch halt, was ist das? „Die Antwort der Sozialwissenschaft auf Mad“, schreibt das renommierte Wall Street Journal. Gemeint ist das Journal of Polymorphous Perversity, ein Fachblatt, das so ganz anders ist als alle anderen. Glenn C. Ellenbogen, der Herausgeber, hat es in 14 Jahren immerhin auf 3.000 Abonnenten gebracht, darunter angeblich auch die Uni Genf. In wissenschaftlichen Größenordnungen gerechnet, ist das schon eine ganze Menge, und viele lesen das Magazin heimlich, wenn keiner zuguckt.

Seinen Autoren empfiehlt Ellenbogen stets, ein Pseudonym zu verwenden, um die Karriere nicht zu ruinieren. Er selbst schreibt manchmal unter so illustren Namen wie Ernst von Krankman („das klingt doch wie ein ernsthafter, kranker Deutscher“), Seymour Fruitlooper oder William Goodenough. Kein Wunder, denn Werke wie „Oraler Sadismus und die vegetarische Persönlichkeit“ werden in der Fachwelt nicht eben hoch geschätzt – handelt es sich doch bei Psychoanalytikern nicht selten um Vegetarier (was deren Humorlosigkeit erklärt), und außerdem weist Ellenbogen nach, daß Vegetarier Sadisten sind: Gemüse lebt und kann nicht fliehen.

Dabei ist Ellenbogen selbst seit 26 Jahren in therapeutischer Behandlung. Sein Psychoklempner liebt seine Zeitschrift, wegen der „analytischen Heiterkeit“. Besonders der Artikel der Doktoren Stevens und Rebecca Harris hat es ihm angetan: bahnbrechende Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Konsistenz vollgekackter Pampers und elterlicher Erziehungsstrenge. Aber das Magazin hat noch mehr zu bieten. So berichtet die soeben erschienene Ausgabe über die Entdeckung eines bisher unbeachteten Ehescheidungssyndroms APDO (Adult Pets of Divorced Owners = Erwachsene Haustiere geschiedener Besitzer). Der Artikel verfolgt Fifis emotionale Defekte nach Herrchens Auszug: „Wäre ich ein besserer Hund gewesen, dann wären sie noch glücklich.“ An anderer Stelle derselben Ausgabe weist Ellenbogen nach, daß es bei Psycho- und IQ-Tests besser ist, die Antwort zu verweigern (1 Punkt), als zuzugeben, daß man sie nicht weiß (0 Punkte). Damit bringen es frisch Verstorbene immerhin noch auf 45 Punkte, und die „leichte bis mittlere Geistesschwäche“ der Leichen ist immer noch besser als gar nichts.

In der vertrockneten und ernsthaften Psychologie gilt das Journal of Polymorphous Perversity (JPP) als Ärgernis, und deshalb haben die Verbandsherren der „American Psychoanalytical Association“ (APA) den JPP-Herausgeber beim letzten Kongreß kurzerhand vor die Tür gesetzt. Wer Witze über den Berufsstand macht, so die Verlautbarung, verkennt den Ernst der Lage. Ellenbogen kann über derlei Ignoranz nur lachen – den Stoff für die nächste Ausgabe hat er sowieso. Inzwischen hat er auch eine kleine Internet-Präsenz: Unter www.psychhumor.com gibt's kleine Lesehäppchen – schließlich lebt er vom Verkauf des gedruckten Magazins –, Buchempfehlungen und Internet-Links zum Thema. Und ein Foto von Glenn C. Ellenbogen, das einem auf der Stelle klarmacht: Ja, dem Kerl trau' ich das zu. Und noch viel mehr. Dieter Grönling

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