Nach langem Kampf ein Preis für den Rebellen

■ Der Initiator der „Kölner Klagemauer“ erhält den diesjährigen Aachener Friedenspreis

Berlin (taz) – Eine deutsche und eine weltweit tätige Friedensbewegung sind mit dem Aachener Friedenspreis 1998 ausgezeichnet worden. Mit dem Preis würdigt der gleichnamige Verein Menschen, die sich außerhalb der offiziellen Politik für mehr Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft einsetzen. Der Friedenspreis wird seit 1988 jährlich am Antikriegstag vergeben und ist mit je 2.000 Mark für die Sozialprojekte der Preisträger dotiert.

Für das Friedensmahnmal „Kölner Klagemauer“ nahm deren Initiator Walter Herrmann die Auszeichnung entgegen. Bis Oktober 1996 hatte er mit einem selbstgezimmerten Mahnmal auf dem Kölner Domplatz der Obrigkeit aus Staat und Kirche die Stirn geboten. Die „Pastoren für den Frieden“, die ihren Hauptsitz in den USA haben, wurden in Aachen speziell für ihr Engagement gegen die rigide Kubapolitik der USA ausgezeichnet. Die UnterstützerInnen um Pfarrer Lucius Walker hatten vor zwei Jahren durch einen Hungerstreik eine Ausnahmegenehmigung vom Handelsembargo erreicht. Damals durften sie Medikamente und technische Geräte nach Kuba liefern.

Herrmann hatte mit seiner Aktion bundesweit Schlagzeilen gemacht. Freunde nannten ihn bald „Rebell von der Domplatte“, Gegner „Spinner vom Dom“. Der damals Obdachlose hatte 1989 direkt neben dem Hauptportal des Doms ein langgestrecktes, hölzernes Gerüst aufgebaut. Daran konnten Passanten Pappkärtchen befestigen, auf die sie ihre persönlichen Sorgen und Ängste schrieben. Schon nach kurzer Zeit hingen Tausende Kärtchen an dem Gestell. Vom Frühjahr 1991 an wurden es mehr und mehr: Der Golfkrieg erweiterte die Themenpalette, die Klagemauer wurde zu einer permanenten Mahnwache für den Frieden. Streit gab es hingegen vor dem Gotteshaus. Stadtverwaltung und Domkapitel wollten nicht, daß direkt neben dem weltberühmten Dom für Frieden demonstriert wurde. Nach jahrelangem juristischem Tauziehen ließen sie die Klagemauer in einer Nacht- und-Nebel-Aktion entfernen. Auf dem Aachener Marktplatz durfte Herrmann seine Friedenskunst jetzt wiederaufstellen – bis Ende September. Danach will Herrmann einen neuen Versuch starten – auf der Domplatte in Köln. Kerstin Willers