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Licht und Zahlen

Enttäuschende Uraufführung: „Va Yishtachu. Va Yerra“, das Bibelprojekt des Itim Ensembles  ■ Von Christiane Kühl

Die letzte Begegnung war zufällig und prosaisch. Es war in einem kleinen dänischen Hotelzimmer auf der Suche nach der TV-Fernbedienung, die u.a. zum Öffnen des Holzfurniernachttischs führte. Da lag es dann: Das Buch der Bücher, selbst ein verstaubtes Möbel, ganz offensichtlich schon wesentlich länger unberührt als seine elektronische Ablösung. Warum, zum Teufel, macht heute jemand ein Theaterprojekt über die Bibel?

Das Cameri Theater in Tel Aviv wurde 1950 von deutschen Juden gegründet, denen das Verdienst zukommen sollte, als erste modernes Hebräisch auf die Bühne zu bringen. Seit 1989 ist das Theater mit dem Itim Ensemble assoziiert, dem das Verdienst zukommt, Alt-Hebräisch auf die Bühne zurückzubringen – und zwar in modernster Weise. Vor vier Jahren begann Regisseurin Rina Yerushalmi mit zwölf Schauspielern ein Projekt über die Bibel, dessen ersten zwei Teile vor zwei Jahren beim Sommertheater mit überwältigendem Erfolg gezeigt wurden. Dienstag fand beim Festival die Uraufführung des dritten und vierten Teils statt, die leider nicht dieselbe Intensität erreichen konnten.

Va Yishtachu. Va Yerra (Und sie verneigten sich. Und er fürchtete sich) beginnt im Dunkel mit martialischem Trommeln. Dann fällt Licht vom Himmel wie ein plötzlicher Schauer, bleibt plastisch in der Luft stehen, bildet Säulen zur Abgrenzung. Die Schauspieler treten vor, schließen die Reihen und das Thema ist umrissen: Krieg. Itim zeigt kein Krippenspiel. Im Vordergrund der Produktion steht das biblische Wort, das in seiner Originalversion gesprochen, geschrieen, gerappt oder gesungen wird und über drei Stunden monoton simultanübersetzt.

Auf der von großartigem Lichtdesign dominierten Bühne agieren die Darsteller weniger interpretierend als Assoziationen inspirierend. Diese Freiheit war schon vor zwei Jahren ihre Stärke – nur daß Va Yomer. Va Yelech (Und Er sprach. Und er ging) mit der Genese und dem Exodus wesentlich ergiebigere Themen- bzw. Assoziationskomplexe vorstellte. Die Bilder, die bei Yerushalmi stets von einer reduzierten, klaren Ästhetik geprägt sind, spielten trotz ihrer Strenge virtous mit den Möglichkeiten des Theaters und überzeugten nicht selten als verhalten ironischer Kommentar. Der letztere Teil des Alten Testaments nun beschreibt die Dynastienfolge – viele Kriege, viele Tote, viel unehelicher Beischlaf, viel Stammbaum und das alles in Zahlen und Namen. Die Frage „Warum am Ende des zweiten Jahrtausends die Bibel inszenieren?“, die sich beim Anblick von Va Yomer... erübrigt hatte, findet in Va Yishtachu... keine zwingende Antwort.

noch heute, 19.30 Uhr; Samstag werden von 19-2 Uhr alle vier Teile des Projekts gespielt (ermäßigte Karten für die Seitentribünen)

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